Mary am Meer

Monat: März, 2010

Ich bin frei!

Ich habe mich befreit.

Anders als ihr denkt. Ich lass mich nicht in irgendwelche Kisten stecken, nicht festnageln, nicht festhalten, nicht festlegen, nicht aufhalten, nicht abstempeln, nicht einsortieren, nicht reduzieren, nicht klein kriegen, nicht kontrollieren, nicht brandmarken, nicht irritieren, nicht definieren, differenzieren, diskriminieren.

Ich bin, was ich bin und noch viel mehr. 

Erzählt mir nicht, da sei nichts mehr. Sagt nicht, die Dinge sind so und so. Habe die falschen Götter von ihrem Thron gestoßen. Zerfielen alle zu Staub. Habe euch auch gesehen da oben. Ich habe hinter eure Kulissen geschaut. 

Lenkt mich nicht ab mit eurem Gerede. Hört doch auf die Worte zu verdrehen, ihnen andere Namen zu geben, uns einzureden, der Mensch habe sich geändert. Er sei jetzt klüger und ganz verändert. Wenn nur alle so seien wir ihr. Spart euch: Die sind die Bösen und wir die Guten. Aus jedem Haus schallt der gleiche Chor. Ich falle nicht auf euch herein!

Ich habe Freunde. Redet mir nicht ein, ich wäre der Freak mit Idealen, ein Gut-Mensch, naiv und allein. Ich war und werde nie einsam sein. Auf dem Weg, den ich gehe, sehe ich Fußabdrücke, alte, neue, kommende. Ich bin in guter Gesellschaft und frei.

Der letzte Gemüsebrühwürfel

Ferien! Ich werde malen, das steht fest. Die Farben rufen endlich wieder nach mir. Der Abstand war nötig, um das Verlangen neu zu entfachen. Immer wieder stoße ich auf die Erkenntnis, dass es das „wie viel“ ist, dass den Wert der normalen Dinge ausmacht. Sucht man das Besondere, dann suche man nach etwas, von dem wir nie zu viel bekommen können, ohne uns dabei zu zerstören.
Ein arabischer Sprichwort sagt: Mache dich beliebt, in dem du deine Besuche kurz hältst. So doof das sein mag, es stimmt. Das Verfügbare verliert seinen Reiz. So war es jedenfalls bei meinen Gemüsebrühwürfeln. Solange ich sie da hatte, habe ich nicht einmal an sie gedacht. Aber als ich letztens eine Zwiebel-Thunfisch-Soße kochen wollte, waren sie alle. Keine mehr da. Ich wollte aber unbedingt einen, in diese Soße und fing an zu suchen, als würde ich Gold suchen. Ihr könnt euch vorstellen, was für Glückshormone mich durchströmten, als ich dann doch noch einen Gemüsebrühwürfel, ganz unten in einer anderen Kiste fand. 
Ich werde nach Hamburg fahren und ich freue mich sehr. Es ist als würde ich in dieser Moschee mein Denken und Gefühle endlich abstellen können und plötzlich ist Platz da, die zu sein, die ich bin, jenseits von meiner Lebensgeschichte, Denkmustern, Gefühlsschwankungen. Ein befreiendes Gefühl und jedesmal überkommt mich so viel von dem, für das ich keinen Namen habe, dass ich mich auflösen möchte. In so einem Moment ist  der Tod keine Bedrohung mehr. Es spielt in diesem Augenblick keine Rolle, ob ich lebe oder nicht, obwohl dass ja eigentlich paradox ist. Aber es ist, als würde ich einen Augenblick hinter all das sehen, ohne meine Augen zu brauchen, als würde ich verstehen, ohne meinen Verstand überhaupt auf on zu haben. 

Verheddert mit Kafka und Pony

Heute ging ich ziemlich grockie nach der Schule und einem Arzttermin, einkaufen. Meine schwarzen Sandalen mit Absatz waren unbequem, und ich fragte mich zum wiederholten Male, warum einige Frauen so doof sind, für die paar Zentimter mehr anFake-Größe, sich das Laufen zur Qual zu machen. Ich gehöre zu diesen einigen Frauen, manchmal.
Tracy Chapman (Bang, Bang, I shoot you down) im Ohr, einen Einkaufswagen holend (bei Aldi passt kein 2 Euro Stück in das Losmach-Pfand-Teil), bog ich in Richtung Eingang, zeitgleich mit einem Mann (keine Sorge, es folgt keine Love Story) ein. Ganz Gentleman, nickte er mir zu und ich ihm zurück, mit einem Lächeln (das übe ich fleißig, die Wirkung ist verblüffend, fast magisch). Dann ging ich durch das Drehdings und schob mein Einkaufswagen durch das andere Klappendings (ob es dafür richtige Namen gibt?). Der Mann direkt hinter mir. Irgendwie hatte ich nicht daran gedacht, dass der Mp3 Player in meiner Tasche, die nun am Einkaufswagen hang, weil sie verdammt schwer war und meine Stöpsel im Ohr mit mir hinten dran, nicht so ohne weiteres durchgehen würden (klingt kompliziert, ich hoffe ihr könnt euch das vorstellen). Ich war total verheddert mit der Drehtür und Einkaufsklappe, und verlor natürlich mein letztes bißchen Koordinationsvermögen: was muss ich jetzt wo abmachen, wo entheddern, damit ich da ganz schnell durchkomme, weil der Mann, der wartet ja schon.
Ich mache mir selbst anscheinend sehr gerne Streß, als würde ich die ganze Welt aufhalten, oder ihr auf den Keks gehen, und das obwohl ich als Erwachsene eigentlich nie ähnliche Erfahrungen machen musste. Naja, auf jeden Fall, amüsierte der hinter mir sich und half mir beim entheddern. Der war gar nicht genervt, ich glaub er fand das irgendwie rührend, so viel Ungeschicktheit.
Ich finde diese spontanen Erlebnisse spannend. Für mich ist es nicht vorraussagbar, wie der andere reagieren wird, wenn ich ihn nicht kenne. Aber ich merke immer stärker, dass es vor allem auf mich drauf ankommt, wie jemand reagiert. Zaubertrick lächeln, funktioniert auch mit schiefen Zähnen :).
Habe jetzt einen Pony. Es ist das erste Mal, dass ich positiv überrascht vom Friseur kam (ich war 4x in meinem Leben beim Friseur). Muss meine Haare jetzt immer glatt föhnen und hoffe, ich bekomme das hin.
Von Kafka, etwas tolles:
 Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.
Lieber Kafka, genauso ein Buch möchte ich schreiben. Traust du mir das zu? Kreuze an: () Ja  ()Nein ()Vielleicht
Hast du dich eigentlich noch mit deinem Vater versöhnen können?
Deine Mary am Meer

Rumi am Morgen

Your task is not to seek for love, but merely to seek and find all the barriers within yourself that you have built against it.

Rumi
GreatpaintingsofImanMaleki.jpg image by sgrao
Bild: Iman Maleki, Iran

Das Gute ist auch ohne uns gut

peace train

Wir haben in Philosophie über den Unterschied zwischen herrschen und regieren diskutiert. Herrschen habe eine schalen Beigeschmack (ich finde herrschen ist ein schönes Wort).
Regieren kommt wahrscheinlich aus dem Lateinischen und bedeutet führen.
Führen hat aber für uns Deutsche einen mehr als schalen Beigeschmack.
Werden wir irgendwann alle Wörter so missbraucht haben, dass wir keine fremde Sprache mehr finden, die derselben Bedeutung einen anderen Namen geben kann?

In der UBahn klebte ein Zettel direkt über der Tür: Lebst du oder überlebst du nur? Ich musste lächeln. Ich lebe. Ich bin froh darüber.  Ich stelle mir vor, wie die U-bahn aussehen würde, wenn die Sitze mit einem samtgrünen Stoff überzogen wären. Das würde die Menschen beruhigen, glaube ich.

Es ist unglaublich, was man so jeden Tag auf der Fahrt in die Schule erleben kann. Gestern lief ein ziemlich molliges Mädchen im Minirock vor mir. Und einen kleinen Augenblick hatte ich diesen hässlichen Gedanken: Na, die traut sich ja was!  Dann sah ich, wie die anderen ihr hinterherstarrten und am Bahnsteig dann, ganz offen und laut über sie lachten und lästerten “ Hast du die Oberschenkel gesehen, soo dicke Beine.“ Da schämte ich mich für mich. Wer sagt denn, dass nur schlanke Frauen in kurzen Röcken rumlaufen dürfen?

Hobbes sagt: Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf. Ein arabisches Sprichwort sagt: Ein Wolf würde nie das Fleisch eines Wolfes essen. Aber wir essen uns gegenseitig in Feindschaft.

Wurde Hobbes also in seinem negativen Menschensicht noch übertroffen. Ich mag trotzdem nicht glauben, dass der Mensch von Natur aus böse sei. Wir haben wohl beides in uns, nur was lässt das Böse heraus, die Bestie in uns. Ich weiß es nicht. Solange ich lebe, werde ich hoffentlich an das Gute glauben. Muss ja nicht unbedingt im Menschen sein. Aber da ist etwas, das gut ist. In mir ist eine Liebe, die den Grund ihrer Liebe sucht. In mir ist etwas, das wahrgenommen werden möchte, ein Verstehen, eine Verbundenheit mit dem draußen.

Ich erinnere mich oft an eine Geschichte, in dem ein jüdischer Mann, der viele Sprachen beherrscht, im KZ nichts anderes tut, als zwischen den einzelnen Gruppen zu vermitteln, zu schlichten. Er schläft kaum, er isst kaum und strahlt doch etwas besonderes aus. Als die Insassen befreit werden, wird mit ihnen auch der Hass auf alle Deutschen frei und sie suchen in den benachbarten Dörfern Rache.
Dieser Mann versucht das zu verhindern und als er gefragt wurde, warum er das tue, erzählte er seine Geschichte. Die Nazis haben seine Wohnung gestürmt und seine gesamte Familie vor seinen Augen erschossen. Er flehte sie an, auch ihn zu erschießen, aber das taten sie nicht, weil sie ihn für seine Dolmetscherfähigkeiten brauchten. In diesem Augenblick habe er gewusst, dass er sich zwischen Hass oder Liebe entscheiden muss. Etwas dazwischen oder eine Mischung aus beiden, gab es nicht mehr.
Was er gewählt hat, ist leicht zu erraten.
Ich weiß nicht, ob diese Geschichte stimmt, aber ich glaube, dass es so etwas gibt. Diese Erkenntnis/Erleuchtung, das man die erfahren kann. Und ich glaube, dass es nicht das schlechte in anderen ist, dass uns hassen und bitter werden lässt, sondern das schlechte in uns selbst.

Buchmesse der leeren Worte

 Fluchtweg
Ich war also jetzt auf einer Buchmesse, der Leipziger Buchmesse. Jetzt weiß ich, dass ich da, Jahr für Jahr, nichts verpasse. So viele Worte machen mich stumm. Ich schlage die Bücher auf und plötzlich steht in jedem nur noch: Bla Bla Bla. Alles ohne Sinn, außer den einen, nämlich sich wichtig zu machen, den anderen zu übertreffen, neue Inhalte, Wortkombinationen zu finden. Das beste Buch, wäre wohl ein leeres.
Ich bin wohl einfach nicht für solche Messen gemacht, ist mir zu seelenlos, zu eitel. Nicht einmal die Menschen waren  interessant (ich fragte mich, ob die Leipziger(denn das waren viele Leipziger) so fade oder die Spezie der Besucher der Buchmesse einfach so sind).
Ein Grund, doch niemals ein Buch zu schreiben, wäre, solcherlei Quälerei zu umgehen. Ich fremdschämte mich für jeden Autor, der mitten im Chaos, sich selbst anbat, sein Buch vorlas. Irgendwie gehört sich das, für mein Empfinden, nicht. Jedenfalls nicht in diesem Rahmen. Ich nehme mir vor, mich nie auf diese Art zu verkaufen.
Durch meine Ablehnung, sah ich alles von Außen, wie ein Alien, der diesen Planeten besucht und wurde mir der Absurdität bewusst. Da treffen sich ganz viele Menschen in großen Hallen, um Papier mit Worten, die andere Menschen geschrieben haben, zu bestaunen. Das ist noch komischer, als aus der Alien-Sicht, das Spiel, in dem ganz viele Menschen hinter einem Ball her rennen, zu betrachten.
Aber ich habe Herrn Weizsäcker kurz gesehen und gehört. Vielleicht hat es sich deswegen gelohnt.
Er scheint mir ein Mensch, der nicht des Redens willem redet, sondern weil er etwas zu sagen hat.

Selbsthilfe

Ich habe mir einen Englisch-Sprachkalender für einen Euro gekauft. Da wir schon Mitte März haben, darf ich drei und halb Monate auf einmal abreißen. Am 8. Januar, mein Geburtstag, steht ein Witz:
A Californian walked into the New York Public Library and asked the libarian where the self help books were. She replied: „If I told you, it would defeat the whole purpose.“
Das passt zu mir, immer auf der Suche nach Antworten im Außen, aber wo wäre denn da der Erfolg? Suchen und finden müssen wir wohl selbst.

In Gedenken

 
„I died from minerality and became vegetable;

And From vegetativeness I died and became animal.
I died from animality and became man.
Then why fear disappearance
through death?

Next time I shall die
Bringing forth wings and feathers like angels;
After that, soaring higher than angels –
What you cannot imagine,
I shall be that.“
 
Rumi

Vom Papagei und der Ameise

„Hättest du mir das nicht früher verraten können?“, beschwerte sich meine Cousine letztens in Psychologie, als ich in der Pause endlich das Geheimnis des Leben preisgab. Der Sinn besteht nämlich darin, mit eiskalten Füßen in eine warme U-Bahn zu steigen, um dann Woaahh, Aaah und Oooh seine Füße zu neuem Leben erweckt zu bekommen (ein wenig wie Jesus und der erweckte Tote in einer Person). Jeder der einmal ähnliches erlebt hat, kennt den Sinn des Lebens. Die Erlösung vom Unangenehmen, Schmerzhaften. Auf psychologisch, behavioristisch ausgedrückt: Negative Verstärkung macht das Leben doch erst lebenswert.
Etwas ähnliches habe ich heute in Biologie gelernt. Die Vielfalt des Regenwalds ist nämlich nicht-wie gern geglaubt- auf seine Fruchtbarkeit zurückzuführen, im Gegenteil sein nährstoffarmer Boden zwingen Pflanzen und Tiere zur Kreativität. So kommt es, dass es viele, viele verschiedene Arten gibt, von jeder einzelnen Art jedoch gibt es nur sehr wenige (ausgenommen die Termiten und Ameisen). Wer also die Individualität erhöhen will, muss erschwerte Lebensbedingungen schaffen. In Kurzform: Not macht erfinderisch oder Peitsche ist motivierender als Zuckerbrot. Das macht nämlich träge und faul.
Vergleicht man also mal die Artenvielfalt unseres Laub-Misch-Waldes mit der im Regenwald (Zahlen liefere ich nach) und zieht den Schluss, die Einwohner eines Ortes wiesen Ähnlichkeiten mit ihrer Umgebung auf, wird schnell klar, wie wie gestrickt sind…einfach. Wir sind so einfach, dass uns nichts besseres einfällt unsere Individualität durch unsere Überkleider und Ausrottung alles wirklich Einzigartigen, auszudrücken. Vielleicht ist es ja gar nicht die Geldgier, die den weißen Mann den Regenwald überfallen lässt, sondern der pure Neid. Und diese Wilden, den muss einer doch mal die Zivilisation bringen, die sehen doch alle gleich aus in ihrem Lendenschutz. Ich fürchte wir zivilisierten Menschen sind die Zuckerbrot vollgestopften Ameisen, die immer nach höherem streben, immer unten auf dem Boden haften bleiben, immer anders sein wollen und es genau deshalb nicht sind.
Upss, wo bin ich denn da wieder gelandet…was ist da bloß in Resonanz mit mir gegangen :D. Eigentlich wollte ich euch noch einer weiteren Erkenntnis (ich weiß, ich bin gerade sehr großzügig) beglücken: Das Interessanteste steht meist in Klammern (ausgenommen diese und die letzte Klammer). Ist mir beim lesen der Shortstory „Shooting an elephant“ von George Orwell und Bio-Lektüre (wird nachgeliefert) aufgefallen.
Rätsel: Finde die Ameise!

Zeughaus



Mein erster Gedanke zum „Zeughaus“ war: da wird entweder ge- oder bezeugt. Nööt! Beides falsch. Da wurde Zeug gelagert, Kriegs-Zeug. Wie hätte ich wissen können, dass es so einfach ist?
Ich mag diese alten Häuser und ihre Ausstrahlung, nur bei dem Zeughaus, alias Deutsche Historisches Museum, war ich nicht wirklich überwältigt. Vielleicht war nicht der richtige Tag dafür, ich war schon müde, bevor wir angefangen haben oder aber mir liegen Rundführungen einfach nicht, auch wenn unsere Rundführerin das sehr gut gemacht hat.
Manchmal habe ich das komische Gefühl, dass ich alles erfühlen könnte, wenn ich mich genug sensibilisieren könnte. Manchmal weiß ich bevor jemand spricht, was er sagen wird, kann den Verlauf eines Gespräch erahnen. Vielleicht liegt das an unseren vorhersehbaren menschlichen Verhaltensmustern. Vielleicht ist es aber auch meine manchmal vorhandenen Fähigkeit zur Empathie.

Die ist nicht immer da. Letztens fuhr ich mit meiner Schwester in der S bahn und sie wies mich auf den Himmel mit seinen wunderbaren Wolken hin. Ich sah sie und freute mich, aber auf eine oberflächliche Weise. Da fiel mir ein alter Blogeintrag von mir ein:.

Heute sah ich sie, auf dem Weg nach Hause, die perfekte Wolke. Hinter der sich die Sonnne vergeblich zu verstecken versuchte. Ihre Strahlen verrieten sie natürlich und ich musste lächeln über dieses Bild, der Sonne, die wie ein Kind verstecken spielt. Ich saß da in der S-Bahn, erfüllt, ergriffen und dachte, jetzt in diesem Moment müsste die Welt still stehen. 
Wie schaffen wir es, diese Schönheit um uns herum auszuhalten? Wie schaffen wir es, sie zu übersehen?? 
Und ich bemerkte, als ich da in dieser Bahn saß, dass ich mich umsah nach irgendeinem Menschen, der dasselbe fühlt, in diesem Augenblick. Aber mein Blick traf niemandem, der überhaupt den Himmel wahrnahm. Und da merkte ich:Freude wird nur durch teilen wirklich vollkommen.


Das schien mal wieder Jahre her zu sein, aber dann verstand ich, dass es nicht nur die Zeit ist. Ich habe mich desensibilisiert (auch eines meiner neuen Lieblingswörter), um mich vor Depressivität zu schützen. Anscheinend bin ich aber nun auch den schönen Dingen gegenüber unempfindlicher, alles hat seinen Preis. Ich erinnere mich noch an das intensive Gefühl, das ich damals hatte und das ich die Schönheit wirklich kaum mehr ertragen konnte. Alles im Leben ist eine Frage nach „wie viel“ und dem Finden des gesunden Mittelwegs.




The other way around

Nicht des Schreiben willen schreiben, nicht des Malens willen malen, nicht des Singen willen singen, möchte ich und bleibe ohne genau zu wissen, was ich tun will. Wahrscheinlich möchte ich um des Lebens willen leben und um der Liebe willen lieben und um des Verstehen willen verstehen.
Meinte heute ein kleiner Junge zu seiner Mutter:“Guck mal Mama, es schneit in Strömen.“ Die Mutter antwortet etwas genervt (weiß nicht, ob wegen des Jungen oder des Schnees): „Nein, es schneit nicht in Strömen, in Strömen regnet es nur.“
Auch meine eigenen Kinder sind des Schnees überdrüssig, saßen einander zustimmend da und wünschten sich endlich mal wieder Regen anstatt Schnee. Wie genügsam sie doch sind, ihre Mutter wünscht sich vor allem Sonne.
Ansonsten „mache“ ich mich ganz gut, bin mehr mittendrin, als außen draußen. Der im Winter gewünschte Liebhaber war dann wirklich eines Tages in Lidl, ein geschätzter 18 jähriger Italiener, der mich mit seinen Blicken durch Lidl verfolgte und an dann der Kasse dann frech: „Ciao“ zu mir sagte. Habe nur gegrinst und gedacht: Nicht ganz das, was ich wollte. Aber immerhin ein Anfang. Und ich freue mich über jedes Kompliment die Tage, sie lassen mich schmunzeln, auch wenn ich nichts davon all zu ernst nehme.
Trotz meiner Fortschritte im leicht leben, sehne ich mich doch ein wenig nach Menschen, die mir neues zeigen können und natürlich auch nach wirklicher Nähe. Aber das berührt meine Grundzufriedenheit nicht. Und das ist gut so.
In meinem Kopf habe ich eine Anzeige aufgegeben: Suche (unverheirateten) Liebhaber, der mir eine Zahnspange schenkt. Meine Freundinnen hoffen, dass diese Anzeige in meinem Kopf bleiben wird und aufgrund meiner Feigheit wird sie das wohl auch…wo sollt ich sowas auch inserieren? Deshalb muss ich wohl einen anderen Weg finden, um an Geld für gerade Zähne dran zu kommen, deshalb mein mich antreiben mehr/besser zu malen, einen Bestseller zu schreiben oder eine Kariere als erste Koran-Leserin zu machen. Nur geht es so nicht. Sowas wird nur gut, wenn man es aus einem Bedürfnis heraus macht, nicht des Erfolges wegen, ne?

Heute manifestierte (schönes Wort) sich eine schon länger gebrühtete Erkenntnis, ein wenig mehr, die da wäre, dass es erst wirklich interessant wird, wenn Worte keine Ausdrucksmöglichkeit mehr haben, wo sie nicht mehr hinreichen.
Unsere ganze Welt ist voller Worte, gesprochen, geschrieben, geschrien, geflüstert, gehaucht, gebrüllt, gelacht.

Wir kennen keine andere Sprache, als die der Worte, außer Sex und den tiefen Blick in die Augen eines Wesen, das wir lieben. Die Sprache des Herzens (ja, ich weiß, wie kitschig das klingt) ist uns fremder als Chinesisch (die Italiener würden Arabisch sagen). Auch die Sprache der Gestik/Mimik/Geruch beherrschen wir nur noch plump und nehmen sie nur wahr, wenn sie laut und überzeichnet eingesetzt wird. Vielleicht hat der Überkonsum der Worte unsere Sinne desensibilisiert, wie ein Handschuh es mit unseren Händen macht?