Ich bin ungeduldig, jeder der mich gut kennt, weiß dass ich furchtbar ungeduldig sein kann. Ich will alles gleich. Ich war nie eine, die ihr Geschenk tagelang eingepackt neben sich hat liegen lassen, sondern eine, die es gleich wild, das schöne Geschenkpapier herunterreißend, auspackte.
Auch wenn ich etwas zu verschenken habe, möchte ich das gleich, sofort. Deshalb kann ich Geschenke nie im Voraus kaufen. Ein Nachteil meiner Ungeduld, aber auch in vielen anderen Dingen, steht sie mir im Weg, lässt mich den Weg gar nicht sehen, den ich gehen müsste, um an mein Ziel zu kommen.
Damals mit 14, als mein größter Wunsch war eine „Gott-Nahe“ zu werden, konnte ich nicht warten, ich erwartete durch meine überfließende Liebe sofort dort anzukommen, wo ich hinwollte. In dieser Hinsicht hab ich mich nicht wirklich verändert. Sicher…die Zeit und meine Lebenserfahrung haben mir ein wenig Demut eingeprügelt und an meiner Frustationstoleranzgrenze geschliffen, aber letztendlich bin ich der „ganz oder gar nicht“ Typ geblieben.
Meiner Meinung nach werden wir mit einigen Grundcharakterzügen geboren, die wir einfärben können, sie völlig abzulegen, scheint jedoch fast unmöglich. Ich erinnere mich beschämt wie ich in der Vorschule immer (völlig gegen meinen Willen) losheulte, wenn ich beim Mensch-ärgere-dich nicht verlor oder daran wie ich mit drei verzweifelt versucht habe eine noch zappelnde Fliege aus dem Spinnennetz vor unserem Fenster zu befreien, es gelang mir, in dem ich immer wieder wie verrückt an die Fensterscheibe klopfte. Ich war danach sehr zufrieden mit mir.
Und trotz unserer vorgegebenen Festplatte, glaube ich, dass das Leben nicht aufhört, uns erziehen zu wollen, selbst dann wenn die Eltern längst aufgehört haben, es zu versuchen. Denn das Leben ist, im Gegensatz zu mir, unendlich geduldig und ich personifiziere es ganz bewusst, könnte auch Gott sagen, denn meine Erfahrung zeigt mir, dass da wirklich etwas auf unser Tun antwortet.
„Wie sollte der Lohn für das Gute etwas anderes sein, als gut?“ fragt der Koran und bis heute ist das mein Lieblingsvers geblieben. Alles kommt zurück, das Jenseits scheint im Diesseits schon mit eingeschlossen zu sein.
Auf dem Grundsatz beruht auch meine Hoffnung, denn trotz meiner dunklen Seiten, weiß ich, dass ich es gut meine mit allen und auch mit mir.
Zurück kommt aber nicht nur das Gute, vor allem meine Schwächen erzeugten das größte Echo.
Ich erinnere mich, wie ich damals die Leute nicht verstehen konnte, die keine Sicherheit über ihre Überzeugung hatten. Ich weiß noch, wie mir auf dem Gymnasium mein Deutsch Lehrer Herr Fink die Treppen nachrannte, weil wir gerade die Ringparabel durchnahmen und gemeint wurde, man könne sich nicht sicher sein, ob es Gott gäbe oder welche Religion nun wahr sei. Ich wurde sauer, ungeduldig und meinte: „Natürlich kann man sich sicher sein, viele sind es, ich bin es und ich bin bereit zu diskutieren. Wenn ihr glaubt, es gäbe keinen Schöpfer, dann bin ich dagegen überzeugt, dass es einen gibt.“ und verließ das Klassenzimmer. Herr Fink kam mir nach und fragte: „Aber Miriam, ist es nicht normal, an Gott zu zweifeln?“ Und ich war unerbittlich, hatte Tränen der Wut in den Augen und sagte: „Nein, zweifeln Sie an der Sonne? Wenn man sich sicher ist, dann gibt es keinen Zweifel!“
Damit war das Thema für mich erledigt.
Wie viel Überheblichkeit habe ich in all den Jahren an den Tag gelegt und direkt und indirekt jeden für dumm gehalten, der nicht zu den gleichen Schlüssen kommt, wie ich selbst.
Heute treffe ich tagtäglich Menschen, die genauso denken, wie ich damals und das völlig religionsunabhängig. Schade finde ich nur, dass ich so ins Zweifeln geraten musste, um etwas Demut und Toleranz zu lernen.
Auch, dass ich erst lernte das Urteilen über andere Menschen so gut wie möglich einzustellen, als ich selbst ordentlich auf die Nase fiel. Der Mensch (oder nur ich?) lernt, wenn überhaupt, oft erst, wenn er „Scheiße“ (entschuldigt meine ordinäre Ausdrucksweise) frisst.
Geblieben ist meine Ungeduld, ich will lieben, ich will leben, jetzt sofort, oder gleich sterben und noch immer weiß ich nicht wohin mit meinen Gefühlen. Aber mittlerweile strecke ich meinen Kopf nicht ganz so oft nach oben, zu den Sternen und starre verzweifelt, traurig auf meine fernen Ziele, sondern lasse meinen Blick des öfteren auf meinen braunen Wildlederschuhen mit den rosa Schnürsenkeln ruhen, und siehe da, so nah bin ich meinem Ziel.