Mary am Meer

Monat: November, 2009

Ganz zufrieden

Ganz zufrieden, inmitten von glitschigen Blättern und Dominosteinen, zwischen Gemein- und Einsamkeit, kurz mal wieder am aufgeben und gleich darauf am weitermachen. Das Bekannte verliert sein Drama, wie andere ihre Socken, jeden Tag ein Stück.


Niemand darf versprechen: Alles wird gut, doch soll es genau das werden: gut. Ohne Versprechen, die die Angst vor nicht Einhaltung fürchtet. 

Sagt der Aidskranke Bettler zum Akkordion spielenden Bettler: „Ey du Spast. Hau ab, hier war ich zuerst.“ 
Haben nun beide verspielt, der eine durch seine Worte, der andere durch sein nervendes Akkordion. Um Weihnachten kloppen sich die Bettler in den U Bahnen, bekommen nichts, nur genervte Blicke. Das Mitleid wird systematisch abgelutscht.

Trotz allem zufrieden, die Tage, nicht genau wissend warum, eine Melodie summt innen, ein Lächeln hat Lust zu lächeln, ohne irgendwas zu versprechen, außer dass lächeln schöner ist, als grimmig sein. 
Laufen auf der Straße, viel zu viele Menschen, alle aneinander vorbei, und dabei wird klar, wie unwichtig du bist. Sagt der Regentropfen, als er in den Ozean fällt: Yuchu, ich werde Meer! Hätte er auch sagen können: Oh Weh, es gibt mich nicht mehr!

Ein schönes Gefühl, ohne verliebt zu sein, Liebe zu spüren und genau deshalb zufrieden. 

Lies Rumi!

Through Love  all that is bitter will sweet
Through Love all that is copper will be gold.
Through Love all dregs will turn to purest wine
Through Love all pain will turn to medicine.
Through Love the dead will all become alive.
Through Love the king will turn into a slave!

Fräulein Ungeduld

Ich bin ungeduldig, jeder der mich gut kennt, weiß dass ich furchtbar ungeduldig sein kann. Ich will alles gleich. Ich war nie eine, die ihr Geschenk tagelang eingepackt neben sich hat liegen lassen, sondern eine, die es gleich wild, das schöne Geschenkpapier herunterreißend, auspackte.
Auch wenn ich etwas zu verschenken habe, möchte ich das gleich, sofort. Deshalb kann ich Geschenke nie im Voraus kaufen. Ein Nachteil meiner Ungeduld, aber auch in vielen anderen Dingen, steht sie mir im Weg, lässt mich den Weg gar nicht sehen, den ich gehen müsste, um an mein Ziel zu kommen.
Damals mit 14, als mein größter Wunsch war eine „Gott-Nahe“ zu werden, konnte ich nicht warten, ich erwartete durch meine überfließende Liebe sofort dort anzukommen, wo ich hinwollte. In dieser Hinsicht hab ich mich nicht wirklich verändert. Sicher…die Zeit und meine Lebenserfahrung haben mir ein wenig Demut eingeprügelt und an meiner Frustationstoleranzgrenze geschliffen, aber letztendlich bin ich der „ganz oder gar nicht“ Typ geblieben.

Meiner Meinung nach werden wir mit einigen Grundcharakterzügen geboren, die wir einfärben können, sie völlig abzulegen, scheint jedoch fast unmöglich. Ich erinnere mich beschämt wie ich in der Vorschule immer (völlig gegen meinen Willen) losheulte, wenn ich beim Mensch-ärgere-dich nicht verlor oder daran wie ich mit drei verzweifelt versucht habe eine noch zappelnde Fliege aus dem Spinnennetz vor unserem Fenster zu befreien, es gelang mir, in dem ich immer wieder wie verrückt an die Fensterscheibe klopfte. Ich war danach sehr zufrieden mit mir.

Und trotz unserer vorgegebenen Festplatte, glaube ich, dass das Leben nicht aufhört, uns erziehen zu wollen, selbst dann wenn die Eltern längst aufgehört haben, es zu versuchen. Denn das Leben ist, im Gegensatz zu mir, unendlich geduldig und ich personifiziere es ganz bewusst, könnte auch Gott sagen, denn meine Erfahrung zeigt mir, dass da wirklich etwas auf unser Tun antwortet.

Wie sollte der Lohn für das Gute etwas anderes sein, als gut?“ fragt der Koran und bis heute ist das mein Lieblingsvers geblieben. Alles kommt zurück, das Jenseits scheint im Diesseits schon mit eingeschlossen zu sein.
Auf dem Grundsatz beruht auch meine Hoffnung, denn trotz meiner dunklen Seiten, weiß ich, dass ich es gut meine mit allen und auch mit mir.
Zurück kommt aber nicht nur das Gute, vor allem meine Schwächen erzeugten das größte Echo.

Ich erinnere mich, wie ich damals die Leute nicht verstehen konnte, die keine Sicherheit über ihre Überzeugung hatten. Ich weiß noch, wie mir auf dem Gymnasium mein Deutsch Lehrer Herr Fink die Treppen nachrannte, weil wir gerade die Ringparabel durchnahmen und gemeint wurde, man könne sich nicht sicher sein, ob es Gott gäbe oder welche Religion nun wahr sei. Ich wurde sauer, ungeduldig und meinte: „Natürlich kann man sich sicher sein, viele sind es, ich bin es und ich bin bereit zu diskutieren. Wenn ihr glaubt, es gäbe keinen Schöpfer, dann bin ich dagegen überzeugt, dass es einen gibt.“ und verließ das Klassenzimmer. Herr Fink kam mir nach und fragte: „Aber Miriam, ist es nicht normal, an Gott zu zweifeln?“ Und ich war unerbittlich, hatte Tränen der Wut in den Augen und sagte: „Nein, zweifeln Sie an der Sonne? Wenn man sich sicher ist, dann gibt es keinen Zweifel!“
Damit war das Thema für mich erledigt.
Wie viel Überheblichkeit habe ich in all den Jahren an den Tag gelegt und direkt und indirekt jeden für dumm gehalten, der nicht zu den gleichen Schlüssen kommt, wie ich selbst.

Heute treffe ich tagtäglich Menschen, die genauso denken, wie ich damals und das völlig religionsunabhängig. Schade finde ich nur, dass ich so ins Zweifeln geraten musste, um etwas Demut und Toleranz zu lernen.
Auch, dass ich erst lernte das Urteilen über andere Menschen so gut wie möglich einzustellen, als ich selbst ordentlich auf die Nase fiel. Der Mensch (oder nur ich?) lernt, wenn überhaupt, oft erst, wenn er „Scheiße“ (entschuldigt meine ordinäre Ausdrucksweise) frisst.

Geblieben ist meine Ungeduld, ich will lieben, ich will leben, jetzt sofort, oder gleich sterben und noch immer weiß ich nicht wohin mit meinen Gefühlen. Aber mittlerweile strecke ich meinen Kopf nicht ganz so oft nach oben, zu den Sternen und starre verzweifelt, traurig auf meine fernen Ziele, sondern lasse meinen Blick des öfteren auf meinen braunen Wildlederschuhen mit den rosa Schnürsenkeln ruhen, und siehe da, so nah bin ich meinem Ziel.

Verklempte Gaffer

Wenn ich eine Weile nicht U Bahn gefahren bin, dann ist es erst mal eine ziemliche Überwindung, genau dies zu tun. Fast ein Wunder, dass nicht mehr Leute Amok laufen dort unten, in der Bahn. Viel zu viele Menschen eingesperrt in einen kleinen gelben Kasten, ohne Luft, ohne Licht.

Ich erinnere mich ganz dunkel, dass es mir vor einer Weile noch Spaß gemacht hat, U Bahn zu fahren, das muss eine andere Persönlichkeit in einer anderen Welt gewesen sein.
Momentan fällt es mir schwer und ich versuche mich mit Kopfhörern und Buch zu entziehen, wie viele andere auch. Man sitzt eng nebeneinander oder sich gegenüber und gewonnen hat immer der, der am Besten so tun kann, als wären die anderen nicht da. Nur wo, meine Güte, soll man dabei hingucken (wenn nicht zu mindest auf die Füße seiner Mitfahrer)?
Normalerweise bin ich ein offener Mensch, nicht wirklich neugierig, aber interessiert an meiner Umgebung. Und ich finde es blöd, dieses stumme Vereinbarung, nicht miteinander zu reden, sich nicht anzuschauen und wenn doch, dann gleich verschämt schnell wieder wegzugucken. Ein Zeichen unserer Verklemmtheit, in Zeiten in denen alle so tun, als wären sie für alles offen…außer für ein unbefangenes Miteinander.
Da gibt es natürlich noch die, die keine Etikette kümmern, und die meinen sich mit der Fahrkarte auch gleich die Berechtigung zum Gaffen mitgekauft zu haben. Wenn die doch nur etwas von der Befangenheit der anderen absorbieren würden, damit es zu einem Ausgleich kommen kann. Ich mag es nicht angestarrt zu werden und wer mag das schon? Es verunsichert mich, als wäre etwas nicht in Ordnung, auch wenn mein Kopf weiß, dass nicht ich es bin, die komisch ist, sondern die Gaffer, die alles anstarren, was ihnen gefällt (oder auch nicht).
Aber zum Glück gibt es auch schöne Begegnungen wie diese; ein Mann beim einsteigen in den Wagon, aus dem ich gerade aussteigen wollte. Wir hatten Augenkontakt, nicht suchenden, sondern einfach sich ergebenden und dann lächelte er mir zu, ein warmes, spontanes, ansteckendes Lächeln. Es wirkte sofort, bevor ich wusste, was meine Mimik überhaupt vorhat, musste ich zurücklächeln oder grinsen oder eine Mischung aus beidem.
Zeitaufwand, 2 Sekunden, höchstens. Warmes Gefühl ums Herz, ein paar Stunden.

Sag mir den Preis.

Ich war im Krankenhaus und habe meine Definition von Glück wieder einmal auf den Boden geholt.
Die Abwesenheit von Schmerzen, das ist Glück.
Als es mir richtig schlecht ging, wollte ich gar nichts mehr, ich konnte mir nicht mal wünschen, dass es aufhört, irgendwie war ich gefangen in dem Aushalten, kein Platz mehr für irgendwas menschliches, wie Hoffnung.
Als es mir etwas besser ging, musste ich mich nicht nur den Salmonellen (passt auf, wenn ihr draußen esst, es lauern ÜBERALL 😉 Gefahren) stellen, die mich versuchten fertig zu machen, sobald da Platz war zu fühlen, war auch die Einsamkeit da, um mit den Salmonellen gemeinsame Sache zu machen. Ein dunkles Krankenzimmer eignet sich perfekt für den Kampf mit den eigenen Ängsten. Keine Möglichkeit zur Flucht. Und ich habe die Einsamkeit als meine Angst erkannt. Sie und dazu die Angst vor Hingabe (eine ziemlich blöde Kombi, find ich) und ich dachte immer ich habe keine angst!
Früher glaubte ich, ich wäre die Tochter der Wüste und würde nichts lieber, als in Ruhe gelassen werden, der geborene Einsiedler. Das hat sich geändert. Diese Tage sitz ich da und scheine schlicht unfähig (ohne mich zu verstellen) das Spiel mitzuspielen. Wenn ich versuche, jemanden zu erklären, wie ich gerade fühle, höre ich so etwas wie: „Von dir hätte ich das nie gedacht. Du wirkst ganz anders, lachst so viel, hast was zu sagen und bist beliebt.“ Daraus schließe ich, dass mein Außenseiter Gefühl ein inneres ist und frage mich woher es kommt.
Bis ich ne Antwort bekomme, arbeite ich dran, mich auf das zu konzentrieren, was ich mir wünsche und dankbar zu sein. Dankbar für alles, was ich habe, für meine Kinder, die ich liebe und die mich lieben. Für meine Familie, die mich noch nie im Stich gelassen hat und für eine gute Freundin, die genau dann da war, als ich sie brauchte. Dankbar für fast Gesundheit und Abwesenheit von Schmerz, für Fencheltee und die Erfindung der Wärmflasche.
Auch für meine Sensibilität, die mich zwar oft melancholisch werden, auf der anderen Seite aber die Schönheiten des Seins auch intensiv empfinden, lässt, bin ich dankbar. Wenn die Verletzlichkeit und die ohne Ankündigung zu besuch kommende Trauer, der Preis dafür ist, dann bin ich bereit, ihn zu zahlen. Abzustumpfen oder mich in Schein Welten zu entziehen sollen nicht mein Weg sein.

Vom ganzen Weltenschmerz mal abgesehen, war es gar nicht übel im Krankenhaus, soviel  Komplimente wie dort, habe ich lange nicht bekommen. Vielleicht ist das neben der Lachen-hilft-Therapie ein Trick zur Gesundung der Patienten beizutragen, schmier ihnen Honig um den Mund, das versüßt ihnen die Schmerzen (wie hat schon die gute Mary Popins gesungen?“Wenn ein Löffelchen voll Zucker bittre Medizin versüßt“).


Achja und ich habe (mal wieder) mitbekommen, wie schwer es mir fällt, um etwas zu bitten. Viel trinken sollt ich, aber durfte wegen Isolation nicht aus meinem Zimmer, selbst Wasser holen. Es brauchte einige Überwindung dieses rote Knöpfchen (unten im Bild zu sehen, der blaue war für Licht, der war ganz leicht zu drücken) zu drücken, nur um Wasser zu bestellen. In meinem Kopf sieht es dann ungefähr so aus: Die Pflerger/innen haben so viel zu tun, wenn sie frei haben werden sie schon vorbei schauen (tun sie nicht). Der Knopf ist doch eher für Notfälle da, ich werde warten, bis ich was wirklich wichtiges brauche….
Und glaubt nicht, ich bin stolz auf meine „Rücksichtsnahme“, ich finde sie blöd. Warum kann ich nicht denken, das ist ihr Job und Basta?

Propagandaminister

Eine Schweigeminute für Mr Ballack, der sich gerade heldenhaft geopfert hat.
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Das sich ein Mensch so zum positiven verändern würde, das hätt ich nie gedacht und dafür liebe ich Filme, die sind nicht an die Realität gebunden. Im Prinzip sind sie sehr ähnlich, wie Märchen, nur ein wenig besser als Realität getarnt.
Mein Geschichtslehrer meinte letztens: Stellt euch mal vor, früher hieß das wirklich noch Propagandaminister, heute heißt das Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Damit hat er etwas auf den Punkt gebracht. Wir nennen die Dinge heute bei anderen Namen und glauben dann (ziemlich naiv), der Inhalt hätte sich damit auch geändert und wir wären schlauer, als die Menschen von früher. Ich finde es aber schlauer, den Propagandaminister Propagandaminister und Märchen Märchen und überhaupt, alle Dinge bei dem Namen, der zu ihnen gehört, zu nennen. Aber leider fragt mich ja keiner :P.

Heute war ich zum dritten Mal an dem Ort, an dem sich alle bewegen und ich gebe es gerne zu, ich mag es. Und mir wird bewusst, wie gut es mir tut, meinen Köper zu spüren. Wenn ich schon nicht auf dem Feld Erdbeeren pflücken kann, dann wenigstens auf dem Laufbad Amy Winehouse´s „Rehab“ hören, schwitzen tut man bei beidem. Das einzig ärgerliche ist, dass ich jetzt Geld dafür ausgebe, mich bewegen zu dürfen, anstatt Geld dafür zu bekommen, dass ich Erdbeeren pflücke. Ihr versteht, was ich meine… Aber so ist das Leben nun mal in der Stadt und ich finde, es ist an der Zeit sich damit abzufinden.

Ich möchte ein Buch schreiben, nein… ich schreibe eines. Zwei Seiten habe ich schon, aber sie gefallen mir nicht. Je verkrampfter ich da ran gehe, um so weniger gefällt mir das, was ich schreibe. Denn das, was ich schreibe, soll gut werden. Mittelmaß gibt es mehr als genug und der Umstand, dass tagtäglich tausende neue  Bücher auf den Markt kommen, die die Welt und ihre Bürger nie gebraucht hat oder brauchen wird, macht mir Angst. Mein Buch muss sein Papier wert sein! Der Umstand, dass es jemand kauft, gibt einem Buch noch lange keine Daseinsberechtigung.

Und da ich mir das anscheinend nicht recht zutraue den richtigen Ton zu treffen, nämlich, natürlich ohne verwirrend, witzig ohne oberflächlich, leicht verständlich ohne zu einfach, seriös ohne all zu ernst, kritisch ohne moralischen Zeigefinger, versöhnlich ohne Gut-Mensch-Attitüde, sitze ich da und schaue Prison Break. Bin mittlerweile bei  der vierten Staffel angelangt, Agent Mahone ist mir echt ans Herz gewachsen und auch der böse Bulle (wie hieß er nochmal?) ist durch das Gefängnis in Panama geläutert geworden.
Sarah und Michael können sich jetzt eigentlich lieb haben, aber die Angst sich verlieren zu können scheint ihnen den Genuss des Beieinanderseins zu versaue(r)n. Und Michael scheint sehr viel mehr Gefühle für Sarah gezeigt zu haben, als er noch glaubte, sie sei tot. Ob ich Liebe jemals wirklich verstehen werde, ob ich jemanden je so sehr lieben werde und jemand mich, ob jemals irgendein ein Mensch so geliebt hat, wie in Büchern und Filmen gerne erzählt wird, ich weiß es nicht. Noch viel weniger, warum es mir so anstrebenswert vorkommt, mein Glück in die Hände von jemand anderen zu legen. Sicher ist das sicher nicht. Aber war es nicht die Vorliebe des Menschen mit dem Feuer zu spielen, anstatt vor ihm zu fliehen, die ihn erst zum Menschen machten?

ver-rückt aus lange-weile

Ich habe bunte kleine Handschuhe auf den Wegen gesichtet und mich daran erinnert, dass es im Frühling graue, große waren. Deshalb habe ich folgende Theorie aufgestellt:
Die Kinder verlieren ihre Handschuhe im Herbst, weil sie sich gegen den Winter wehren wollen, weil sie nicht akzeptieren, dass es jetzt so kalt ist, dass sie welche tragen sollten. Und wir Erwachsenen verlieren unsere Handschuhe im Frühling, weil wir gelernt haben uns dem Herbst zu fügen, aber irgendwann den Winter nicht mehr länger ertragen können, ihn so satt haben, dass wir keinen Moment mehr diese Handschuhe tragen wollen.

Ich weiß, dass ist verrückt. Aber so fühl ich mich die Tage, irgenwie ver- rückt. Ich würde gerne etwas wirklich verrücktes tun, etwas ganz neues. Es scheint mir, dass kein Thema wirklich neu ist, als hätte ich das Theaterstück Leben schon unzählige Male in unzähligen Aufführungen gesehen. Erzählt mir was neues oder ich schlaf euch mitten in der Aufführung ein.
Als hätte ich was neues zu erzählen…und das ärgert mich, zu wissen, dass auch ich nichts neues zu erzählen habe. Alle Worte, Gedanken, Geschichten sind verbraucht, abgenutzt und unnütz und auch diese „Erkenntnis“ ist genau das. Wir sind wie Schweine, die gerne von Perlen reden und dabei glauben, allein das Reden darüber schmückt uns schon mit ihnen, erhebt uns aus unserem Schlamm, verleiht uns weißgefederte Flügel…wie gut uns das steht, unser schweinchenrosa mit der weißen Perlenkette und den weißen Flügeln.

Ich will etwas ganz anderes finden und etwas ganz anderes, muss verrückt scheinen, muss anders sein, als das was ich kenne und was gepredigt wird. Der Verstand ist nützlich, um Formeln zu erstellen, um klug daher zu reden, um trocken-tote Daten auswendig zu lernen, aber er ist die  Ratte und das Laufrad gleichzeitig und ein Narzisst obendrein.

Ich habe mich im Fitness Studio angemeldet, was nichts mit meinem Wunsch nach Verrücktem zu tun hat, oder vielleicht doch? Ich versuche erstmals beim Körper anzufangen und hoffe, dass meine Seele mithüpft.
Ich schrieb meinem unsichtbaren Freund, dass ich versuche pragmatischer zu werden und seine Antwort fand ich gut, weil er mich an die Liebe zur Authentizität erinnerte und meinte, dass mir Pragmatismus auf Dauer nicht gut stünde. Ich mag ehrliche Freunde, aber noch lieber wäre mir, wenn sie neben mir sitzen und mit mir Tee  trinken würden…

Falls ich mich irgenwie lebensmüde anhöre, seid beruhigt, ich bin es nicht. Jedenfalls nicht in dem Sinne, als würde ich schon auf dem Fensterbrett des15. Stock stehen und gleich springen oder als hätte ich hundert bunte Tabletten unter meinem Bett versteckt.
Lebensmüde, in der Bedeutung „des Lebens müde“ bin ich momentan schon, aber das soll vielleicht auch so sein, im Herbst, wo alles den Tod probt. Schaut euch die Bäume an. Wenn ich die Königin von Deutschland wäre und meine Leben lang in einem dunklen Keller eingesperrt gewesen, nach zwanzig Jahren (natürlich von einem edlen Prinzen) befreit worden, wäre, meinen ersten Sommer erfahren, die Schönheit der Bäume bestaunt und dann zum ersten Mal den Herbst erlebt, hätte, und was er den Bäumen antut, wie er sie kahl rupft und zu Gerippen entstellt, dann hätte ich anordnen lassen, alle Bäume sollen gefällt, weil tot, und auf dem ersten deutschen Baumfriedhof, begraben werden…Können wir alle froh sein, dass wir in einer Demokratie leben.

Und wenn es das Glück ist?

just to survive

Schlafen bis der Winter oder das Leben vorbei ist. Warum „just to survive“ wenn „winterschlaf for ever“ eine echte Alternative zu sein scheint?


Keindruck

Ich wollte bei meinem letzten Beitrag nicht unbedingt den Eindruck erwecken, dass ich ein guter Mensch bin, weil so voller Mitleid. Dazu kenne ich meine Schwachstellen selbst zu gut und weiß, dass ich auf andere Art und Weise gemein sein kann, auch ohne, dass ich Menschen gerne leiden sehe.
Wir armen reflektierten Menschen, wir haben es schwer, uns selbst etwas vorzumachen. Da kann man echt froh sein über die Schichten, aus denen wir bestehen, wie Zwiebeln, erklärte Shrek einmal, und auch wenn er eigentlich über Orghas (oder wie werden die geschrieben) redete, trifft das auf uns Menschen wohl genauso zu.

Wir haben noch unser Unterbewusstsein und unser Ego, unser Selbstbild, unser Schutzschild, unsere Verdrängung. All diese helfen uns dabei, dass das Spiel nicht ganz so einfach ist. Sonst wärs ja langweilig oder einfach wunderbar einfach.