Erinnerungen
Den Pathos verlieren, ohne gleichgültig, sarkastisch bitter zu sein. Sich seiner falschen Emotionalität entledigen.
Sachlich sein, aber nicht diese maschinengleichen, unbelebten Sachlichkeit.
Vielleicht muss man erst einmal aufrichtig sentimental sein, durch diese projizierende Emotionalität gehen und glauben, dabei glauben, dass es um etwas echtes geht: Mitgefühl, Einsatz, Interesse.
Immerhin scheint es näher am Leben zu sein als die Taubheit und das Desinteresse an etwas außerhalb ihrer selbst, die viele Menschen gefangen hält. Dann doch lieber entrüsteter, hilfsbereiter, dramatisierender Mensch.
Erst in der Erkenntnis, dass du nicht das bist, was du dir bisher erzählt hast/was die erzählt wurde, diese langweilige Geschichte deines Lebens, reduziert auf deine Sozialisierung, konditionierten Emotionen und gewohnten Gedankenbahnen, und die paar Dinge, die wir als Erinnerungen abgespeichert haben, das Leben auf ein mehr oder weniger willkürlich zusammengestelltes Fotoalbum reduziert.
Das zu vergessen, was wir glauben zu sein, hat nichts mit Demenz zu tun, sondern ist eine Bewegung in eine ganz andere Richtung: Hin zur Klarheit.
Erst wenn du eine Ahnung bekommst, dass wir Schauspieler auf einer Bühne sind, die so gut in ihrem Spiel sind, dass sie vergessen haben, dass es nur eine Rolle ist, erst dann entdramatisiert sich das Drama. Deines und das der anderen.
Das Ego* lässt dich glauben, etwas besonderes zu sein. Das Ego lässt dich glauben, unbedeutent zu sein.
Es lässt dich fordend sein oder zögerlich, verzagend. Sprechen oder schweigen.
Es spielt dich.
(Aber) Das spielt keine Rolle. Was es auch ist. Du brauchst es nicht überwinden. Beobachte es nur. In Dir. Kannst du erkennen, dass es nicht du ist, wird das Drama zur Komödie und von dort ist es nur noch ein kurzes Stück
bis du die Bühne verlassen darfst und raus in die Sonne, barfus durch das feuchte Gras, unbekannte Düfte in der Nase, die keinen Namen haben.
Die Materie tanzt ihren Tanz und du erkennst dass alles in einem ist und alles zugleich. Ein herrlicher Wirbel, der am Ende auch nur eine Illusion ist, aber eine die es wert ist, zu sein. Du siehst in den Augen, das gleich Sein, das du bist und niemand ist fremd. Du spürst in dem Kitzeln des Grashalmes, das gleiche Sein und in der Wärme der Sonne.
Und von dort aus ist es nur ein kurzes Stück, bis du es auch im kalten Wind erkennst, im schneidenen Eis und in den dunklen Tagen und dann ist es nicht mehr weit,
dann erkennst du es auch in der engen, staubigen, langweiligen Welt des Theaters und du kannst tun, was du willst, fühlen, was du willst, es wird dir gleich sein.
Das ist Reichtum, den niemand anderer nehmen kann, und näher kommen wir Menschen nicht an Freiheit heran.
*Im Sinne dieser falschen, menschlichen Identität, die wir uns zugelegt haben.