Mary am Meer

Monat: November, 2016

Erinnerungen

Den Pathos verlieren, ohne gleichgültig, sarkastisch bitter zu sein. Sich seiner falschen Emotionalität entledigen.
Sachlich sein, aber nicht diese maschinengleichen, unbelebten Sachlichkeit.
Vielleicht muss man erst einmal aufrichtig sentimental sein, durch diese projizierende Emotionalität gehen und glauben, dabei glauben, dass es um etwas echtes geht: Mitgefühl, Einsatz, Interesse.
Immerhin scheint es näher am Leben zu sein als die Taubheit und das Desinteresse an etwas außerhalb ihrer selbst, die viele Menschen gefangen hält. Dann doch lieber entrüsteter, hilfsbereiter, dramatisierender Mensch.

Erst in der Erkenntnis, dass du nicht das bist, was du dir bisher erzählt hast/was die erzählt wurde, diese langweilige Geschichte deines Lebens, reduziert auf deine Sozialisierung, konditionierten Emotionen und gewohnten Gedankenbahnen, und die paar Dinge, die wir als Erinnerungen abgespeichert haben, das Leben auf ein mehr oder weniger willkürlich zusammengestelltes Fotoalbum reduziert.

Das zu vergessen, was wir glauben zu sein, hat nichts mit Demenz zu tun, sondern ist eine Bewegung in eine ganz andere Richtung: Hin zur Klarheit.
Erst wenn du eine Ahnung bekommst, dass wir Schauspieler auf einer Bühne sind, die so gut in ihrem Spiel sind, dass sie vergessen haben, dass es nur eine Rolle ist, erst dann entdramatisiert sich das Drama. Deines und das der anderen.

Das Ego* lässt dich glauben, etwas besonderes zu sein. Das Ego lässt dich glauben, unbedeutent zu sein.
Es lässt dich fordend sein oder zögerlich, verzagend. Sprechen oder schweigen.
Es spielt dich.
(Aber) Das spielt keine Rolle. Was es auch ist. Du brauchst es nicht überwinden. Beobachte es nur. In Dir. Kannst du erkennen, dass es nicht du ist, wird das Drama zur Komödie und von dort ist es nur noch ein kurzes Stück
bis du die Bühne verlassen darfst und raus in die Sonne, barfus durch das feuchte Gras, unbekannte Düfte in der Nase, die keinen Namen haben.

Die Materie tanzt ihren Tanz und du erkennst dass alles in einem ist und alles zugleich. Ein herrlicher Wirbel, der am Ende auch nur eine Illusion ist, aber eine die es wert ist, zu sein. Du siehst in den Augen, das gleich Sein, das du bist und niemand ist fremd. Du spürst in dem Kitzeln des Grashalmes, das gleiche Sein und in der Wärme der Sonne.

Und von dort aus ist es nur ein kurzes Stück, bis du es auch im kalten Wind erkennst, im schneidenen Eis und in den dunklen Tagen und dann ist es nicht mehr weit,

dann erkennst du es auch in der engen, staubigen, langweiligen Welt des Theaters und du kannst tun, was du willst, fühlen, was du willst, es wird dir gleich sein.

Das ist Reichtum, den niemand anderer nehmen kann, und näher kommen wir Menschen nicht an Freiheit heran.

 

 

*Im Sinne dieser falschen, menschlichen Identität, die wir uns zugelegt haben.

Frieden kennt keinen Krieg

Wann werden wir so hungrig nach Frieden sein, dass jede Rechthaberei ihren Reiz verliert?

Fast jeder sagt: Ich will Frieden.

Doch was tust du für den Frieden?

Solange du da stehst und mit deinem Finger auf den anderen zeigst, darauf bestehst, dass er sein Unrecht endlich einsieht, soange fügst du der Welt mehr Krieg zu.

Im Krieg sein bedeutet Abgrenzung vom anderen. Die Verneinung, dass er wie du ist.

Dein „liebevolles Herz“ wünscht allen Menschen gutes und möchte niemandem Schmerz zufügen,

bis auf die, die du zu deinen Feinden* erklärt hast. Die haben es verdient zu leiden, denn sie haben andere leiden lassen, sie sind schlecht. Sie sind keine Menschen wie du, denn du würdest so etwas nicht tun.

Und mit einem Mal freust du dich, wenn anderen etwas schlimmes passiert, weil sie deine Feinde sind, weil sie es verdient haben.

Wenn du religiös bist, dann betrachtest du ihre Schmerzen/Ängste/Leiden als Strafe Gottes, so als wüsstest du genau, wann Gott straft und wann er prüft. (Und das ist Anmaßung.)

Wie kann ein immer schlagendes Herz diesen Unterschied machen, so als würde es bei jedem Herzschlag entscheiden, ob er verdient ist oder nicht. Das kann also nicht dein Herz gewesen sein, das für den einen schlägt und gegen den anderen.

Und näher betrachtet, fühlt es sich so an, als sei es dein Gerechtigkeitssinn, der dich diesen Unterschied machen lässt. Es wurde uns früh beigebracht, dass wir Liebe nur verdient haben, wenn wir uns gut verhalten und fast genauso früh haben wir um von der eigenen schmerzhaften Erfahrung des Bedingt- geliebt-werdens abzulenken auf andere übertragen, wer verdient es geliebt zu werden und wer nicht. Als Alibi kam uns die Frage der Gerechtigkeit gelegen. Mehr noch als ein Alibi, das Gefühl, dass es den anderen genauso ergehen soll wie uns, wenn wir nicht angenommen werden wie wir sind, dann dürfen es die anderen auch nicht.

Es gibt einen Punkt in deinem Leben, da hast du die Möglichkeit erwachsen zu werden. Erwachsen in dem Sinne, die Fähigkeit zu entwickeln, das verletze Kind in dir zu heilen.

Das sogenannte Kind mag ein Teil des Ego sein mit seinem gesammelten, unbewältigten Schmerz und dein Erkennen, dass du weder deine konditionierten Strukturen und rechthaberischen Denkmuster, noch deine Ängste/Schmerzen bist, dass du etwas viel tieferes bist, das lässt dich auf allen möglichen Ebenen heilen.

Auch heilen von der Illsuion des Getrennt-sein, das dir Einsamkeit vortäuscht, wo niemals Einsamkeit war.

Du erkennst, dass der Feind im Außen in dir  war und dass niemand jemals durch Krieg besiegt wird. Und du erkennst, dass es viel Ungerechtigkeit auf der Welt gibt, weil jeder nur nach seinem eigenen Recht schreit.

Dann bist du Frieden, der kein Gegenteil hat. Du hörst auf zu beteuern, dass du eigentlich nur Frieden willst.

*ob nun temporär im Falle eines Streites, wo der Liebste/die Liebste/die eigenen Kinder,Eltern,Freunde, etc. plötzlich keinen Platz mehr in deinem Herzen haben oder kostant als das persofinzierte Böse, ob nun eine Gruppe oder ein Individuum.

Anmerkung: Viele verbinden den Zustand des Einssein mit allem mit Handlungsunfühigkeit und  einer morlaisch-relativistischen Einstellung. Aber das stimmt nicht. Du hörst nur auf, von einem Ort der Abgrenzung aus zu agieren. Du stehst dem Schwachen bei und erhebst dich gegen den Unterdrücker sobald du kannst, aber du handelst aus einem Ort, der die Einheit von allem erkennt.

Ich gehe davon aus, dass jeder, der sich selbst reflektierend  und so bewusst wie ihm möglich durchs Leben geht, diesen Ort kennnt und wer ihn kennt, dessen Wunsch wird sein immer an diesem Ort zu bleiben, auch wenn er (wie ich) vielleicht noch nicht immer weiß wie das geht. Aber der Wunsch wird stärker werden, er wird einen Sog und eine Stärke entwickeln, die dich dorthin ziehen, immer öfter, immer wieder.

 

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Livia Marin

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LIVIA MARIN. London-based Chilean artist. Nomad Patterns series,2012

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5. November

Das perfekte Weihnachtsgeschenk für Leute, die schon alles haben ist: Nichts*.

Nur weil man keine Angst spürt nachts im Dunkeln zu laufen oder von Terroristen in die Luft gesprengt zu werden, bedeutet das nicht, dass man kein ängstlicher Mensch sein kann.

Das Schreiben wird eine Herausforderung, wenn man aufhört Probleme zu beschreiben, in dem Wissen, dass man durch noch so genau Analysen und treffende Metaphern nicht näher an eine Lösung kommt, sondern den Zustand nur verfestigt.

Man muss also die Gewohnheit aufgeben und auch seinen Stolz auf die rhetorische Fähigkeit, innere und äußere Missstände zu kommentieren.

Sie sagte, seine Heiligkeit sagte: Es gibt einen Berg aus Gold und einen Berg aus Morast. Auf dem Berg aus Gold wachsen keine Magnolien. Auf dem Berg aus Morast wachsen sie.

Unsere Weisen sagen, sagte sie (eine andere):

Zwei Zettel soll der Mensch in den Hosentaschen haben.

Den Linken holt er heraus, wenn er sich für etwas Besonderes hält und Hochmut spürt:
Zu Staub wirst du werden.

Den Zettel aus der rechten Tasche holt er heraus, wenn er sich machtlos und elend fühlt:
Wegen dir habe ich die Welt erschaffen.

Eine dritte zitiert aus den Tälern:
Dann sieht er im Krieg Frieden und er antwortet auf Wut mit Liebe.

Sie hat geballte Wut erfahren und jemand hat die Wut in ihr hervorgeholt. Aber immer nur bis das Mitleid wieder die Kontrolle übernimmt. Das Mitleid, das sie leid ist, aber nicht los wird…..(Zensur:  siehe 1!)

Auch Angst relativiert sich, wenn man begründete Angst erlebt. Begründet in dem Sinne einer bedrohlichen Situation. Zu viel Sicherheit kann Angst machen.

Angst vor bedrohlichen Situationen, die man nicht wirklich erlebt hat. Angst im Kopf verbreitet sich, bis jede neue Situation, jeder unbekannte Mensch Angst macht, man ist nicht in der Lage Bedrohlichkeit und Harmlosigkeit voneinander zu unterscheiden. Viele Menschen, die schreckliches erlebt haben, sind ihre Angst los geworden. Weil Angst vor allem die Angst vor dem Verlust ist.
Als Kind spürte man es noch sehr deutlich: Bitte lass es nicht wahr sein. Bitte lass es nicht wahr sein.

(Dieser Absatz ist zu gelassen, denn er führt aus Angst  hinaus, was gleichzeitig zeigt, dass die  Zensur  des Beschreibens nur gilt, wenn sie keinen anderen Sinn erfüllt).

Ich befinde mich in einer Art Raum, der zwei Wände hat, die in einem Spannungsverhältnis stehen:
Das Richten der Wahrnehmung auf das Gesuchte/Gewünschte und die Akzeptanz dessen, was an Schmerzen und Leid in uns (denn es ist nie außerhalb von uns) ist.

Das eine negiert nicht das andere. Sie ergänzen einander, wenn man diese beiden Ebenen verstanden hat.
Der Schmerz bittet um Vernichtung und zeigt in seiner Festigkeit auf seine Ursache, gleichzeitig fordert er auf, hinter die Täuschung zu schauen und die Illusion zu begreifen. Begreifen kann man aber nur, wenn man aufhört sich zu wehren, zu zappeln, zu jammern, zu wünschen, es wäre anderes. Das ist das schwerste.  Und meist erkennt man das erst im Nachhinein, geboren durch Erleichterung.

Und nach jeder Krise, das Richten auf seine eigene Visionen und Kraft, das Gefühl einer Befreiung, eine Dehnung seiner eigenen Beschränktheit.

Der Gedanke, dass all das:
Unsere Körper und seine komplexen Vorgänge, Gedanken, Gefühle, Reflexionen der Welt und ihrer Geschehnisse.
Dass all das am Ende nicht wirklich ist, also auch die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Einbildung, Wahrheit und Unwahrheit, Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit am Ende eine unnötige (nicht am absoluten Sinne zu verstehen, sondern auf der letzten Ebene) ist, dieser Gedanke ist vor allem für die Leidenden einladend. Für dich, die nicht (weiter) wissen.

Absurd, dass gleich nach diesem Gedanken (denn auch das sind nur Gedanken?), das Problem der Klammern so wichtig erscheinen kann.
Ich denke noch viel mehr in Klammern, als ich schreibe und bin mir bewusst, dass Klammern nerven, andererseits wichtig sind, um anzuzeigen, dass das folgende vom Hauptstrom der Gedanken abweicht, aber als Einwand/Information mit dazugehört.

Man fühlt sich immer so geliebt, wie man sich selbst liebt.

* Das meine ich ohne Groll gegen Leute, die alles haben, bzw. sich alles kaufen können, was sie haben möchten. Es ist eine Feststellung und Stellungnahme gegen die nervige Werbung, die so dreist für Geschenke wirbt: Das perfekte Geschenkt für Menschen, die schon alles haben.