Der/Die/Das Blogspot hat einige Kommentare geschluckt, falls diese nicht mehr auftauchen sollten, dann tut mir das leid, aber ich habe keinen Einfluss darauf; soll heißen, ich habe hier nichts gelöscht!
Auch mein, zur weiterer Bearbeitung in Entwürfe gespeicherter, Erguss über die Kunst sein Leben zu lenken, den Unwillen der Gefühle sich in gut und schlecht einteilen zu lassen und über den notwendigen Mut, die Gesamtheit der Dinge zu fühlen, ist verschwunden- was ich persönlich immer gerne als Wink des Schicksals interpretiere, meine allzu optimistisch schwülstigen Worte lieber stecken zu lassen, da diese mich ansonsten noch hämisch auslachen würden.
Etwas in mir würde so gerne dichten, es steckt die Poesie kitzelnd in mir fest, irgendwie verklemmt, kribblig auf den Augenblick wartend, sich in dieser Welt manifestieren zu dürfen.
Anscheinend aber muss ich entweder so richtig verliebt sein oder es muss mir scheiß-schlecht gehen, um den Damm, der die Dichtung umschließt, zum Einstürzen zu bringen.
Ersteres ist, nicht zu erwarten, ist wie der Engländer sagt: unlikely- ich kenne keine Schmetterlinge im Bauch- und auf letzteres verzichte ich gern. Wenn der Preis eine gewisse Unkreativität sein sollte, dann bin ich bereit ihn- zwar zähneknirschend- zu zahlen und vertraue darauf, dass Leben noch früh genug und völlig unerwünscht, einige Krisen zu bieten hat.
Ich erinnere mich gerade an das erste gänzlich unerwartete Gedicht, das aus meinem Mund heraussprudelte, ohne vorher von mir gedacht worden zu sein. Es „geschah“, als wir in der sechsten Klasse im Harz auf Klassenfahrt waren.
Wir Mädchen verstanden uns gut, saßen abends am Fenster und sangen laut und überzeugt „close your eyes-give me your hand, darling“ und ähnliches, nur in der Pubertät und nur für Mädchen auszuhaltendes, kitschiges Zeug.
Am Tage alberten wir überdreht herum und plötzlich erzählte ich die Geschichte von Romeo und Julia auf eine humorvolle Art, meine eigene Geschichte von Romeo und Julia (ich erinnere mich noch schwach, dass Romeo einen Kaugummi im Mund hatte und Julia ihn deshalb nicht richtig verstand) in Reimform. Die Mädchen wurden ganz still, bekamen große Augen, hüpften und fingen an zu applaudieren. Es war ein komischer surrealer Moment, als ob ich nicht mehr ich war, so als würde da jemand aus mir heraus sprechen, ein größerer, erwachsenerer Jemand mit Sinne für Poesie.
Noch Tage später sprachen die Mädchen über diesen Moment und noch länger musste ich selbst darüber nachdenken, was/wer das nun gewesen war und warum.
Ich will das jetzt gar nicht noch mehr aufbauschen, aber diese und spätere Begebenheiten sind der Grund, warum ich der Meinung bin, dass Gedichte nicht konstruiert werden, jedenfalls nicht die, die ich als gut empfinde [wissend, dass diese Defintion ebenso subjektiv wie anmaßend ist].
Sicher kann man sie noch schleifen, aber das Gedicht an sich wird geboren, es ist vielleicht die direkteste Möglichkeit unseres kreativen Ichs, zu sprechen.
Es scheint, es gibt da ein Gedichte-Modus [es scheint=so scheint es mir].
Nun komme ich- zu meinem rein persönlichen Bedauern-nicht in diesen Modus und lese deshalb Mascha Kaleko. Es ist als ob sie für mich dichten könnte [so wie ich gerne dichten können würde], auch wenn ich ihre schwierigen, schmerzhaften Schicksalsschläge nicht teile, ist sie mir vom Gefühl her so nah. Ihr liebevoll trockener Humor, ihre tiefe Melancholie, ihre gefühlte Einsamkeit, ihre manchmal belehrende Art, ihr Versuch mit der Welt Frieden zu schließen, und vor allem ihre Wortlosigkeit angesichts des Unsagbaren.
Es gibt Gedichte, die erzählen mir, so dicht sie auch sind- mehr als ein ganzes Buch. Hier eine kleine Auswahl:
In meinem HauseEs hat sich nichts geändert hier:
Stets gab es Arme und Reiche,
so oft es sich geändert hat,
so oft bliebe es das gleiche.
Der kleine Unterschied
Es sprach zum Mister Goodwill
ein deutscher Emigrant:
»Gewiß, es bleibt dasselbe,
sag ich nun land statt Land,
sag ich für Heimat homeland
und poem für Gedicht.
Gewiß, ich bin sehr happy:
Doch glücklich bin ich nicht.«
Sozusagen grundlos vergnügt
Ich freu mich, daß am Himmel Wolken ziehen
Und daß es regnet, hagelt, friert und schneit.
Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit,
Wenn Heckenrosen und Holunder blühen.
– Daß Amseln flöten und daß Immen summen,
Daß Mücken stechen und daß Brummer brummen.
Daß rote Luftballons ins Blaue steigen.
Daß Spatzen schwatzen. Und daß Fische schweigen.
Ich freu mich, daß der Mond am Himmel steht
Und daß die Sonne täglich neu aufgeht.
Daß Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter,
Gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter,
Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehn!
Ich freue mich. Das ist des Lebens Sinn.
Ich freue mich vor allem, daß ich bin.
In mir ist alles aufgeräumt und heiter;
Die Diele blitzt. Das Feuer ist geschürt.
An solchem Tag erklettert man die Leiter,
Die von der Erde in den Himmel führt.
Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,
– Weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.
Ich freue mich, daß ich mich an das Schöne
und an das Wunder nie gewöhne.
Daß alles so erstaunlich bleibt, und neu!
Ich freu mich, daß ich . . . Daß ich mich freu.
Stickmusterspruch fürs Kopkissen
Sobald man beginnt,
Gespenster zu sehen,
Und spärlich bekleidet
Spazierenzugehen,
von Türmen zu sinken,
Im Bad zu ertrinken,
– Sobald man sich duzt
Mit Dämonen und Drachen,
Empfiehlt es sich, schleunigst
Aufzuwachen.
Mangelware „Normalmensch„
Einst hiess das „gesunder Menschenverstand“:
Verstand, der gesunde Menschen verstand.
Der kam uns abhanden, und nicht ohne Grund:
Die wenigstens Menschen sind heut noch gesund.
Mascha Kaléko