Vielleicht ist gerade alles Ok für dich, dein Leben so, wie es ist. Vielleicht möchtest du keine Veränderung, weil eben alles Ok ist.Und wer weiß, ob die Zukunft besseres bringt? Du bist zwar nicht wirklich glücklich, aber stabil. Jeder Tag hat Momente, die du genießt und das scheint dir genug, um weiter zu machen. Du lässt das Nachdenken lieber sein, denn du willst nicht wissen, was dir tief in dir selbst begegnet. Der Gedanke an die Endlichkeit ist dir fremd, du hast das Gefühl, das Leben würde ewig so weiter gehen.
Vielleicht aber ist auch alles gerade gar nicht in Ordnung und du sehnst dich nach Veränderung, die alles besser machen soll. Und du wartest und erwartest, dass eine Veränderung von außen in dein Leben tritt, obwohl du eigentlich weißt, dass du damit anfangen musst. Aber du weißt nicht wie, traust dich auch nicht wirklich. All die weisenWorte erreichen nur deinen Kopf und machen dich am Ende noch leerer und trauriger, weil du sie nicht umsetzen kannst. Am Liebsten würdest du ganz woanders und dazu noch, ganz wer anders sein.
Vielleicht willst du auch gerade lieber sterben, weil dir das Leben zu anstregend ist. Sterben stellst du dir vor, wie ein langer erholsamer Schlaf, in dem du nicht handeln musst, weil du es dort gar nicht kannst, dein Bewusstsein ausgeschaltet ist. Du fragst dich, ob du an einen Gott glaubst, an jemanden, der dich mit Bewusstsein erschafen hat und obwohl du nicht sicher bist, ob es ihn überhaupt gibt, bist du wütend auf ihn: „Warum hast du mich denn nicht gefragt, ob ich den ganzen Wahnsinn überhaupt will?“
Du verstehst beim besten Willen nicht, was der Grund dafür sein soll, zuleben.
Vielleicht hast du aber auch den Sinn deines Lebens entdeckt. Dich hat jemand erschaffen und er hat dich nicht umsonst geschaffen. Du fühlst dich mit diesem Höheren verbunden und kannst nicht verstehen, warum die anderen das nicht sehen wollen? Alles, was du glaubst ist die Wahrheit, die du entdeckt hast. Dein Leben bekommt durch die Regeln endlich den benötigten Rahmen, deine Schwäche scheint sich, wie Wasser zu Wein, in Stärke zu verwandeln. Du fühlst dich von Gott ausgewählt und versucht vor ihm demütig zu sein. Bei deinen Mitmenschen gelingt es dir aber nicht, denn du guckst auf sie herab. Jeder, der nicht das glaubt, was du glaubt, der hat den Sinn seines Lebens verfehlt.
Oder vielleicht geht es dir gerade so gut, dass du nichts als Licht siehst. Alles wir gut. Alles ist gut. Wenn es doch nur jeder fühlen könnte. Die Natur spricht zu dir und offenbart dir seine Schönheit. Du willst dich auflösen in ihr, du hast plötzlich keine Angst vor dem Tod mehr, weil du ihn nicht als Ende siehst, sondern nur als nächste Stufe, als Überwindung von dem Gefühl des Getrennt seins. Du liest Rumi und Goethe und auch in ihnen willst du aufgehen, weil sie an die äußerste Grenze der Worte, des Sagbaren gekommen sind, sogar noch ein wenig darüber hinaus. Deine einzige Angst ist, dass dieses Gefühl wieder weggeht und du weißt, dass es wieder weggehen wird und du fürchtest dich, jetzt schon, vor der nachher um so stärker gefühlten Einsamkeit.
Vielleicht kämpfst du jeden Tag für andere und versucht ihre Probleme zu lösen. Es gibt so viel, was getan werden muss und deine Zeit ist zu knapp. Du würdest gerne die ganze Welt retten, manchmal bekommst du Panik, weil du merkst, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist. Die Menschen sagen von dir, dass du ein lieber Mensch bist, du empfindest das nicht so, denn auch wenn dir dein Mitleid echt vorkommt, brauchst du es wie die Luft zum atmen. Denn du kannst nur durch andere empfinden, du hast den Kontakt zu dir verloren. Du hast dir irgendwann das Selbstmitleid verboten und dich von dir selbst abgeschnitten. Aber sobald du zur Ruhe kommst, spürst du die klebende Traurigkeit darüber, dich Selbst verloren zu haben.
Vielleicht stürzt du dich von einer Affären in die andere. Drogen aller Art sind dir Willkommen. Das Leben ist an sich sinnlos und du hast den Glauben in das Gute verloren. Es erscheint dir nur noch scheinheilig und falsch. Auch du spürst dich nicht wirklich und nimmst dich nur durch andere wahr. Die Bewunderung der anderen gibt dir den Kick, den du brauchst, um dich gut zu fühlen. Charismatisch, ansteckend, wirst du genannt. Jeder ist gerne mit dir zusammen. Denn du glaubst, niemanden zu brauchen und bringst das sehr glaubwürdig rüber, aber in Wirklichkeit brauchst du das „die anderen nicht brauchen, aber sie dich um so mehr“ so sehr.
Egal, wer du bist, ich wünsch dir, dass du deinen Weg findest und du den Mut hast ihn zu gehen. Nur, weil es so schwer ist, ist es nicht unmöglich. Nur, weil es viel Schlechtes gibt, ist das Gute nicht verschwunden.