Wir lasen die Eumeniden der Orestie des Aischylos in der Übersetzung von Peter Stein.
Und ich gestehe es gleich, ich kenne mich nicht aus in der griechischen Antike, verließ das Rache-Seminar letztes Semester, weil mir das alles zu fremd war Die Übersetzung von Peter Stein versetzte mich jedoch in Feuer. Sie sprach aus sich, in sich und stelle sich selbst vor.
In der Stunde dann ging es [ich will- obwohl ich eigentlich wollte- nicht näher drauf eingehen] hoch her. Und wie bei jeden Gewitter, gab es Blitze. Von einem [oder waren es zwei?] wurde ich getroffen.
Für mich handelt die Geschichte von der Genealogie der Entstehung des Unbewussten, viel mehr noch als von der Genealogie der Etablierung eines neuen Rechtssystemes. [Vielleicht hängt das beides aber auch noch viel dichter miteinander zusammen?]
Und um mal auf das Wissen des letzten Semester aus „dem Bildungsroman“ zurückzugreifen, die patrilineare [Re?]Kodierung und das Ausblenden/Unterdrücken des weiblichen Anteils steht hier im Gegensatz zu unserem Entwicklungsmodell in dem ja die Übernahme der männlichen Herrschaft, Härte und das Strafende zur Folge hat und das weibliche, das vergebend Gütige bedeutet.
Wenn ich hier also für Kenner der Antike und Gender-Angelegenheiten Unsinn schreibe, dann weil ich mich innerhalb der Welt dieses Textes befinde und ganz am Anfang meiner Entdeckungsreise.
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Stimme eins: Die Erinyen hätten die Erinyen bleiben sollen! Und ich bin aufgewachsen unter Athene, im Schatten der Konsequenzen ihres Handelns.
Stimme zwei: Die Welten ändern sich, kann man da von sollen/sollte reden? Die Wohlgesinnten brachten Sicherheit in die Stadt und nahmen den Bewohnern etwas von ihrer Angst.
Stimme eins: So wie es einst war, war es. So sollte es sein. Es war gut. Alles andere unterliegt nur noch einem Try&Error. Die Vorteile wiegen niemals die Nachteile auf. Die Nachteile haben Übergewicht. Und was die Eumeniden angeht. Sie vergaßen sich selbst. Und erfüllten doch ihren Fluch!
Stimme zwei: Dann hast du dich gerade als Konservativ geoutet, als rückwärts-gewandt. Mir ist die Leichtigkeit der Athene tausendmal lieber als diese alten Schreckgespenster.
Stimme eins: Habe ich also nicht das Recht, selbst wenn ich die Veränderung als unvermeidbaren Bestand unserer Natur anerkenne, das verloren gegangene zu beklagen? Und das, was du Leichtigkeit nennst, ist in Wirklichkeit eine Oberflächlichkeit auf Kosten der Tiefe.
Stimme zwei: Es passt einfach nicht, dass du, die den Frieden aus ganzem Herzen suchst, die so viel Angst hast, jemanden zu verletzen, so viel Angst hast verletzt zu werden, dir bei der Darstellung von Grausamkeiten die Hände über die Ohren legst und die Augen zukneifst, dass du jetzt ein Fan der Rasenden sein sollst, ausgerechnet du! Du bist so viel mehr Athene.
Stimme eins: Ja,ich bin die Tochter meiner Zeit, das stimmt. Aber ich erahne, dass die Erinyen missverstanden worden sind. Sie wurden zu Unrecht verbannt und schlafen einen verstörend tiefen Dornröschengleichen Schlaf in schönen Gemächern mit falschem Geschmeide und noch falscheren Schmeicheleien.
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Merkwürdig erscheint mir in diesem Zusammenhang mein Text vom 17.03.2012. Damals kannte ich die Erinyen nur durch Textbezüge aus den Wohlgesinnten von Litell. Dass das ganze Thema wirklich etwas mit Stadt zu tun hat, Zivilisation und Ursprünglichkeit, das war mir damals ganz sicher nicht bewusst.
[Die Uni als zu webenden Stoff betrachtet, das ist ein großes Abenteuer!]