Mary am Meer

Monat: August, 2011

Zitat: Die Welt ist eine Lasagne

„Die Zeit, musst du wissen, besteht aus unendlich vielen Schichten, von denen jede die Stärke eines Moments besitzt.
Sie liegen dichter aufeinander als die Lamellen unter dem Hut eines Pilzes. Also sind alle Momente der Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig vorhanden. Zwischen zwei Schichten entstehen immer noch weitere Ebenen, das sind die Kausalketten verschmähter Zufälle, nicht eingetretener Möglichkeiten und abgewählter Alternativer. So stapeln sich die Stockwerke in rasanter Geschwindigkeit und Ausdehnung zu einem anwachsenden Blätterteig. Auf der Suche nach seinem Weg schlingert unser Bewusstsein ständig zwischen den nächstgelegenen Etagen hin und her. Dabei erzeugt es eine Unschärfe, die wir verkraften, indem wir sie der notorischen Unvollkommenheit unseres Gedächtnisses zuschreiben. Gerät einer zu weit in fremden Schichten hinaus, glaubt er, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Strauchelt er, stürzt und findet den Rückweg nicht mehr, wird er panisch umherirren und nichts mehr als zutreffend erkennen. Nichts passt mehr zusammen, nichts ergibt Sinn. Man wird von ihm sagen: Jener ist tragischerweise verrückt geworden, er hält sich für jemanden, der er nicht ist, und glaubt an Dinge, die niemals geschahen. Die Ärzte nennen das Schizophrenie. Sie ist die Philosophin unter den Krankheiten. Ich wollte dir sagen, dass ich in letzter Zeit häufig zwischen die Schichten bin. Vielleicht geht es dir auch so und all den anderen auch. Vielleicht gab es kürzlich ein Erdbeben im Zeitgefüge.“

Aus „Spieltrieb“ von Juli Zeh. (Dieser Roman steht nach „weiter leben“ auf meiner persönlichen noch sehr überschaubaren Bestsellerliste.
Es gibt wirklich Literatur, die mir die Lust zum Schreiben nimmt, auf eine gute Art. Es ist als ob jemand einen unsichtbaren Druck von mir nimmt und das Gefühl der Notwenigkeit der Mitteilung dämpft, in rosaroten Nebel hüllt, denn es wurde nicht nur alles gesagt, sondern noch dazu, auch unser heutiges Dilemma deutlich artikuliert, ihm wurde Ausdruck verliehen; da sind welche, intelligent und klarsichtig, die noch dazu vorzüglich schreiben können. Das beruhigt mich, tröstet mich und setzt aber auch die Maßlatte hoch. Zum Glück. Etwas zu dem ich hochschauen kann, noch fern, aber so hoffe ich, dennoch erreichbar.)


Aus der Reihe: Paradoxes

Sagt ein Unbekannter zu einer Bekannten:
Du bist allein auf dieser Welt!

Kaum sagte er es
empfand sie Trost
empfang die Nachricht
gelöst erlöst:

Endlich nicht mehr allein!


Was gehört mit was zusammen?

Zwischen Alltagstrott und sinnloser Sinnsuche
gibt es nichts.
So absolut gar nichts.

 ….?

Erzähle niemals
niemandem von deinem
Glück,
man nimmt es dir sonst weg
und zwar sofort.

Berichte niemandem
jemals von deinem
Unglück,
man rennt vor dir davon
auch das sofort. (Gäbe es für sofort den Komparativ, wäre er hier angebracht)

…..?

Im Nichtsein liegt Heilung,
die keine ist.
Im Loslassen Lösung,
die leider wasserlöslich
ist.

…..?

In dem Versuch
gefühlter Reduktion
reduzierter Gefühle
liegt die Lüge
aller Lügen
unter meterdicken Schichten
menschlicher Strukturen
irreversibel zerfroren.

Beobachtbar zwar
unter
Elektronenmikroskopen,
doch niemand mehr da
Entsetzen zu zeigen
Eis zu zerschlagen
zur Rettung unserer Seelen
herbeizueilen
über allem der Mantel
gefrorener  Gleichgültigkeit
unter
abgetriebenen Lebenstrieben.

Beatles – Let It Be

„Mother Mary comes to me….“

Eigentlich passt das Lied gar nicht zu meiner Stimmung, denn ich bin viel zu Uni-euphorisch, um irgendetwas gehen lassen zu wollen oder in melancholischen Gefühle zu schwelgen, es lief mir nur über den Weg und flashbackte mich in alte Zeiten zurück, Zeiten in denen ich es hörte und Trost fand.

Ich glaube, wir müssen an diesen Punkt zurück° An den Punkt, an den wir noch glaubten, so wie die Beatles in diesem Lied. Die absolute Glaubenslosigkeit ist ein Übel unserer Tage.

Eyesore

Eyesore, by Maria Mena [Heute wiedergefunden]

The ugly naked truth:
She starves me of my youth,
And I stand alone until
You catch on.
I swear it’s not by choice.
But Ana has this voice,
And it calms me down,
It gives me purpose.

And it’s alright,
I’m alright,
I want to be okay.
I’ve seen it before,
This eyesore; it’s me.
Ohh, ohh, ohh, me.

I want out from under
This confining skin
That I so reluc-tantly live in.
My worth is measured solely
According to the scale.
I am heavy, but I feel frail.

And it’s alright,
I’m alright,
I want to be okay.
I’ve seen it before,
This eyesore; it’s me.
Ohh, ohh, ohh, ohhh.

Wortfetzen

Wortfetz I
Vielleicht kennen das einige, wenn man etwas schreibt, das einen schon beim Schreiben langweilt. Mir geht es relativ oft so, ich würde mich selbst nicht gerne lesen. Mit Henry Miller, dessen Kurzgeschichten ich nicht zu Ende lesen wollte, ging es mir ähnlich, auch wenn er meiner Meinung nach wirklich vorzüglich schreiben kann, die Sprache an sich an vielen Stellen entzückend schön ist. Trotzdem reicht es für mich nicht, wenn nicht handelnde Substanz dabei ist, ein Spannungsbogen, etwas auf dass das ganze hinaus läuft oder auch eine Stimmung ausstrahlt, die bis zu mir ausstrahlt. 
Folgender Fetzen ist ein Beispiel für etwas, das ich meist gleich oder gleich danach auf Entwurf setze, was für meine Texte einem Todesurteil gleichkommt:


Und die Frühe des Tages legte sich wie ein zarter Zauber über seine nächtliche Schläfrigkeit, vermischten sich beide sowohl leise wie leidenschaftlich, öffneten dabei die geheimen Türen seiner Intuition, die er nie absichtlich zu durchschreiten vermochte. Hätte man ihn irgendetwas belangloses gefragt, jede noch so simple Frage, er hätte in diesem Zustand die Antwort nicht gewusst; dafür lagen andere Dinge so klar  vor ihm, dass ihm nach Weinen gewesen wäre, würde nicht der Nebel der Traumwelt noch auf ihm liegen und jedes Gefühl herunterdrehen, bis es solcherart subtil und feinstofflich ist, es einen nur noch kitzelt, auf eine durchaus angenehme Art und Weise, man das zarte Band fast nur fassen kann, und noch ruhiger werden muss, um es nicht reißen zu lassen….


Wortfetz II
Nun stehe ich kurz vor dem Eintritt, direkt vor Pforte des akademischen Himmels und kann mein Grinsen kaum unterdrücken, mein Glück kaum fassen, dabei habe ich Montag erst realisiert, dass ich mein Abitur geschafft habe! Ich stand vor dem Spiegel und sah mir zu wie mir die schaumige Zahnpasta das Kinn entlang lief, es war 8:10, dachte dabei an meine Schwester, die jetzt auf dem Weg in die Schule sein musste und an diverse Facebookeinträge von ehemaligen Kollegiaten, die noch ins CWK gehen und ihre obligatorische Nörgeleien aufgrund des Ferienendes; da wurde mir, die Zahnpaste erreichte gerade mein Hemd, klar, dass ich eben nicht auf dem Weg dorthin bin und warum nicht?-weil ich es geschafft habe! 
Das war ein wunderbarer Augenblick, auf den ich ja bei der Abiverleihung und dem Abiball umsonst gewartet und mit dessen Nichtvorhandensein ich mich letztendlich irgendwie abgefunden hatte. Umso schöner, wenn er dann doch noch seinen Platz einnimmt und ich erkannte, als ich jemandem schrieb, dass es wohl diese Erwartung selbst war, die mir jeden Raum nahm, das ganze zu realisieren. 


Wortfetz III
Gestern habe ich einen Englisch-Sprachtest an der FU bestanden, von dem ich eigentlich schon dachte, ich sei durchgefallen. Dabei musste ich 90 Minuten warten und hab mich kaum getraut, mich richtig umzusehen aus Angst mich zu verlieben und dann doch gleich gehen zu müssen. Ich setze mich nach draußen, in einen der kleinen Innenhöfe und  genoss die noch vorhandene und wärmende Sonne, mir war etwas kalt. Dabei sah ich Arbeitern beim Steineschleppen zu. Sie grinsten öfter zu mir hoch und ich bildete mir ein, dass ihnen ihre Arbeit jetzt mehr Spaß machte, weil sie mich nun als Zuschauern und auch als Bewunderin gewonnen hatten. Denn das tat ich, nicht nur weil der eine ein sehr schönes Exemplar Mann war, sondern weil ich erkannte, dass das richtige Arbeit ist. Das hatte ich zwar schon vorher gefühlt, aber es war lediglich so ein diffuses Gefühl im Bauch, dass alle meine geisteswissenschaftlichen Gelüste keinen richtigen Beruf abgeben würden. Ich höre schon beim Schreiben heftigen Widerspruch und widerspreche mir auch selbst. Meiner Argumentation nach wären dann alle akademischen Berufe keine richtigen und so meine ich es natürlich nicht. Es ist eher der Gedanke, dass körperliche Arbeit total unterbewertet ist und immer noch einen ungerechten Klassenunterschied, ein Überbleibsel einer Sklavenhaltermentalität darstellt. 


Sollen doch einmal die ganzen Sesselpupser einen Tag deren Job machen, danach würden die Löhne sicher anders verteilt.

Liebesgeschichte I: Lotta lässt los

Lieber Jonas,

Falls du dich fragst, nein-ich habe nicht vergessen. So schnell vergesse ich [leider] nicht und wegen dir meide ich ganze Bezirke. Falls du dich nicht fragst, dann gab es nie etwas zu vergessen und der sensible, wache Mensch, den ich sah, der war in Wirklichkeit nie da oder nur temporär erreichbar, ein Modus, den du nach belieben ein- und ausschalten kannst; doch das war nicht, was ich sah, meinte zu sehen.
Die von meinen Gefühlen wissen, glauben fast alle, ich habe mich geirrt, du seist der uninteressanteste Mensch auf Erden und schlichtweg dumm, weil du mich nicht zu schätzen weißt.
Ich wünscht, ich könnte das auch so sehen, es wäre der einfachste und angenehmste Weg; ein Weg mein Herz vor Kratzern zu schützen und dich ganz einfach hinter mir zu lassen, wie einen unpassenden Schuh, ein „Wer nicht will, der hat schon“ auf den Lippen und andere, schönere Männer [die mich obendrein zu schätzen wissen] im Blick.
Leider- und diesmal ohne Klammer- kann ich das nicht, denn wenn ich es könnte, käme zu dem enttäuschenden Gefühl der Ablehnung das noch stärker enttäuschende Gefühl des Irrtums hinzu: Du magst mich persönlich enttäuschen, aber menschlich?- das wäre dann doch zu viel.

Vielleicht befürchtest du, ich idealisierte dich über alle Maßen und hast Angst bekommen, vor mir und meinen zwangsläufig nicht zu erfüllenden Erwartungen an dich. Falls dem so war, dann gebe ich zu, dass an dem Idealisieren sicher ein wenig was dran ist, habe ich doch erst die Außensicht zu Gesicht bekommen, das Spielfeld, in dem man sich so gut es geht zusammenreißt, sich von seiner besten Seite zeigt und seine diversen Macken unter Verschluss hält. Aber was die Enttäuschung angeht, so hatte ich nie übergroße oder auch nur explizite Erwartungen und wäre wohl eher enttäuscht, gäbe es da keine menschliche Dimension dahinter. Ich bin durchaus reif genug, allzu idealistisches durch realistischeres zu ersetzen.
Da wir gerade bei Erwartungen sind: würde ich sagen, ich habe keine, würde ich lügen, denn Interesse deinerseits, Neugier auf mich, das hab ich schon erwartet oder zumindest erhofft. Irgendwie ging ich davon aus, dass das klar wäre, ein nonverbales Verstehen, ein Geruch zwischen uns, ein Blick von gegenseitigem Interesse.
Möglicherweise fällt mir das sogar am schwersten einzugestehen, meiner Intuition erklären zu müssen, dass sie sich geirrt hat und das Wissen, dass sie es wieder tun kann; ein erschütternder Vertrauensverlust an den wichtigsten Teil meiner Wahrnehmung.
Übrigens, kann ich deine mögliche Angst sehr gut nachvollziehen; ich selbst bekomme schnell ein mulmiges Gefühl, wenn ein Mann mich über die Maßen schätzt, so als meine er, nun wäre ich für sein Glück verantwortlich, als hätte er das Recht mir diese Verantwortung aufzudrücken; mein Hals schnürt sich dann zusammen, ich bekomme Atemnot und da ich oft zu feige bin, Angst habe jemanden zu verletzen, ziehe ich mich zurück, so als wäre das nicht genauso-oder noch schlimmer- verletzend.
Da ich das so gut kenne, brauchst du-und auch kein anderer- Angst zu haben, ich könnte klammern, dazu bin ich nicht einmal fähig, lieber lasse ich gehen, als nur den Hauch eines Klammeraffen in dem Spiegel meiner Selbst zu sehen. Ich halte nur, solange der andere möchte, für alles andere- auch für diverse emotionale Erpressungsversuche- bin ich zu stolz; diesmal ohne jedes leider.

Aber, könntest du sagen, ist dein Versuch mir auf diesem Weg zu schreiben, nicht auch ein Manipulationsversuch und eigentlich wäre das ein Thema, das ich viel lieber bei einem Tee besprochen hätte: Was ist Manipulation? Ist nicht jedes Wort-ja sogar jedes nicht gesprochene-manipulativ? Warum verstehen wir Manipulation immer als etwas negatives….Und ich würde dir erklären, dass ich sehr vieles tun würde, um dich zu einer Antwort zu bewegen, denn ich werde so offen mit dir sein, wie ich es nur geht. Zwischen meinem Wunsch jedoch, dem Bedürfniss mich zu erklären und bösartiger Manipulation liegen Welten, finde ich.

Es ist schon merkwürdig, sobald ich dir schreibe, dich auf ein Blatt Papier bringe, befremdet mich meine eigene Intimität doch wieder sehr und es ist vor allem mein Verstand, der das nicht versteht und es mir kaputt machen möchte, mit Etiketten wie „völlig übertrieben“ und mein Gefühl zieht folgsam nach und meint zu fühlen, dass es jetzt doch gar nichts mehr will, ein Treffen oder anderen Kontakt.
Aber da ich dieses Spielchen jetzt schon eine Weile kenne, weiß ich auch, dass Verstand und Gefühl- so gut sie es auch sicher meinen- nur so tun als ob und das, was immer wieder hochkommt, das ist, wogegen sie nicht ankommen, was nie verarbeitet sein wird, wenn ich ihm nicht den Raum gebe, es ernst nehme ohne es danach nicht doch ein wenig- und vor allem liebevoll, nachsichtig- zu belächeln; diesem namenslosen Etwas, das mehr als das Unbewusste ist oder auch weniger, auf jedem Fall in sehr guter Verbindung mit ihm steht und der Ratio gegenüber immer wieder haushoch überlegen ist.

Zurück zu den Erwartungen, die ich doch lieber Wunsch nenne, denn genauer betrachte, erwartete ich nichts bestimmtes und wie man es nennt, was und ob etwas daraus wird, war mir nicht wichtig. Ich wünschte mir nur, die Chance zu bekommen, herauszufinden, was für eine Verbindung zwischen uns war. Und zumindest auf gedanklicher Basis gab es die, darin kann ich mich nicht getäuscht haben. Natürlich könnte es sein, dass dies nur für mich besonders war und für dich alltäglich und öde. Ein Bedürfnis, dessen du übersättigt bist und nachdem ich am hungern bin, unausgeglichene Verhältnisse sozusagen.
Kann sein- aber wie soll ich das wissen, wenn du es mich nicht wissen lässt? Vielleicht dachtest du auch nur, wie es wäre mich zu ficken und auch dagegen hätte ich nichts gehabt, hätte ich mich wohl auf jede Ebene begeben, aus Neugier auf dich. Oder aber du bist homosexuell und hast Angst es mir zu sagen- das ist die dümmste meiner Erklärungsversuche, denn was solltest du vor mir befürchten?

Es könnte so viel sein, von schlichtem Desinteresse über schlechter Augenblick bis hin zu Angst vor Nähe. Es könnte, es könnte und bis ich es nicht weiß, wird verdammt viel Zeit vergehen, bis ich endlich akzeptieren kann, dass ich ohne Erklärung weiterziehen soll. Meinen Selbstwert nehme ich dabei jedoch mit, darüber bin ich sehr froh, denn egal was der Grund sein sollte, und egal wie verletzt ich wieder Willen doch bin, bin ich nicht weniger geworden, weil ich dir egal zu sein scheine; sogar etwas mehr, weil ich nun weiß, dass ich meine Angst vor Ablehnung angefangen habe zu überwinden und mich öffnen kann, egal ob ich etwas zurückbekomme.

Nein-ich habe dich nicht vergessen, aber loslassen werde ich dich jetzt, wenn ich gleich diesen Brief mit dem Ballon steigen lasse. Möge er weit weg fliegen.

Lotta

Tageshoroskop

Sei mutig, wachsam und stark.
Voller Vertrauen, beginne den Tag.
Gute Gedanken begleiten den Weg,
vertraute Freunde warten auf dich,
lustvolle Zeiten erwarten dich
und die Liebe..
Ja-die Liebe war niemals woanders,
als in dir und um alles um dir herum.
Innen und Außen,
trotz allem nur Liebe,
schaust du genauer hin.

Du betrachtet die Welt und bist beglückt über deine eigene Unwichtigkeit. Es ist egal, was andere denken oder wollen könnten von dir. Du bist ein Nichts, nichts außer das Gefäß für die Schönheit der Welt. Du bist nichts, als Liebe. Du bist nicht. Streiche das nicht!
Du bist.
Heute.



[Ihr] Habt  heute alle einen wunder-baren Tag!

Geschmack meines Herzens

Fußspuren schmecken
nach Sehnsucht,
fern-finsterem Verlangen,
nach fremden Freunden
auf der Zunge
meines Herzens.
Vor mir.
Hinter mir.
Neben mir.
Niemals jedoch
in mir,
geschmolzen
auf der Zunge meines Herzen,
verschmolzen
mit den Spuren meiner Sehnsucht.

Niemals schmeckt
nach Schmerzen,
unendlichen Unmöglichkeiten,
nach fremdem Land
verwehrten Berührungen
unter der Haut
meiner Seele.
Über mir.
Unter mir.
Neben mir.
Niemals jedoch
auf ihr,
Süßes für das bittere Salz
der Haut meiner Seele,
Balsam für das Nie meiner Schmerzen.

Naturwissenschaft liche Philosophie

Vielleicht ist die Wahrheit, man nähert sich der Wahrheit, in Wahrheit nur asymptotisch längs der X-Achse an.

Von der Existenz der Wirklichkeit, deren objektiven Wahrnehmbarkeit, durch empirische Belegbarkeit, ferner der Möglichkeit Erkenntnis in Formeln gleich Fossilien in Formaldehyd festzuhalten, bin ich vollkommen überzeugt.

Von Böden

Hol ihn an den Hosen
auf den Boden
der Tatsachen
zurück.

Die Engelsflügel stehen ihm nicht
ist er schon ganz grüngesichtig,
gleich neongelben Monden
verpisst er sich,
verkackt er es.

Fass ihn am Hosenboden:
Schau nach unten,
zum grundlosen,
senke den Blick!

……………………………………………………………

Du bist nicht
wie andere Frauen,
sagst du
und dass du mich liebst.

Ich bin nicht
wie andere Frauen,
sag ich
und dass ich nicht lieb´.

denke nicht an den blauen elefanten und trafen sich zweie.

Der Gedanke
an sie
nistete
wider Willen
in seinem
Herzen,
das
wiederwillig
klopfte
nach ihrem
Takt.

Abends
flüsterte sie:
Gut Nacht!-
Morgens
war sie
sein
Harndrang,
seine erste
Tat.

……………………

Seinem Schatten folgend,
ging er ohne zu kommen,
sie kam folglich
ohne zu gehen,
kamen sie nicht
zusammen
kamen sie nicht
zusammen,
verpassten sich
um
gefühlte drei gute Gefühle,
die sind nämlich
selten dämlich
selten syncron.

Mondzeit-Mädchen

Das Mädchen mit dem halben grauen Haar wollte heute nicht tanzen. Selbst wenn es wollte, hätte es nicht gekonnt. Es war Vollmond. Und was für einer! So einer kam nie wieder. Sekunden wurden zu Stunden und Stunden bedeutungslos. [Jetzt hätte sie sterben können. Es bliebe befreiend bedeutungslos.]

Tief atmete sie die Silbrigkeit des Mondes ein und dachte: Er ist fast schon golden. Dann dachte sie an ihr halbes graues Haar, das nichts von Gold hatte, damit man es Sommersträhne hätte nennen können, ausgebleicht von einer Sonne, in die sie mehr und mehr den Glauben verlor.
Warum hast du mich verlassen, hatte der Bettler in der Bahn immer wieder gefragt. Verlass mich nicht, flüsterte sie dem Mond zu und falls er kein Nicht verstand: Bitte bleib bei mir. Sie hatte sich nie einsamer gefühlt.

Wäre sie tanzen gegangen, dann wäre sie anstelle vom Mond zu Musik geworden, hätte sich dem Rythmus hingegeben, wäre nur noch Musik in sie hineingeflossen und aus ihr heraus, nachdem sie ihre Müdigkeit überwunden und sich von dem alten Autoreifen erhoben, die Schuhe ausgezogen hätte, den nackten Sand unter ihren Füßen. [Es wäre Sex ohne Sex gewesen.]

Als der Mond endlich den Quadranten ihres Fenster hinter sich ließ und sie damit ebenso plötzlich wie unerwartet wieder in die Zeit entließ, rollte ihr eine Träne über die Wange. Wie lange hatte sie nicht mehr geweint?

Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, ein Mann an ihrer Seite, der hinter ihr läge und ihren Hals und Nacken küsste. Sie konnte nicht.
Konnte man etwas Unvorstellbares vermissen? Umso mehr, sagte sie in die Dunkelheit hinein. Und sie hatte genug davon.

Genug der ganzen traurigen Geschichten einer engen egozentrisch nihilistischen Welt in der Zynismus mit Humor verwechselt wurde, Zweifel mit Wahrheit, Dunkelheit mit Licht und derjenige am Ende gewann, der am meisten zu leiden hatte in seiner ansonsten sinnlosen Existenz. [Geschichtenwettbewerb: Wer erzählt die traurigste Geschichte?]
Nein- das wollte sie nicht und fast wäre sie versucht gewesen, die Wörter verantwortlich zu machen, so wie andere einen Gott, an den sie nicht einmal glaubten, verantwortlich machten für alles was falsch war.

Morgen wirkt der Mond und die Sonne geht wieder auf. Dann werde ich die Welt retten. Sie wusste, dass sie es konnte und auf einmal war es ihr egal. Ihr Glück lag vor ihr auf dem Bettlacken. Alles, was sie sich wünschte, wurde ihr im Vorraus erfüllt, quasi vor die Nase gelegt. So hatte sie das nie gewollt. So auf einem Haufen, sah es aus wie nutzloses Zeug. [Sie nahm sich eine Sache heraus und stopfte den Rest unter ihr Bett zum Staub.]

Es musste noch einen anderen Weg geben.
Es musste doch einen Weg geben, Wunsch und Wirklichkeit zu versöhnen. Ohne verirrte Verwirrtheiten oder schillernd-bunte Seifenblasen, beides Extreme einer Scheinwelt, die mehr und mehr mutierte, den Schein abzulegen suchte.
Längst hatte die Fiktion ihren Weg aus  unendlichen Weiten in nächste Nähe gefunden, gleich einem durchsichtigen Nebel, der alles durchdrang. Fast niemand stellte mehr die Frage nach Wahrheit, die eng verbunden war mit der Wirklichkeit.
Die, die sich ihrer sicher glaubten, waren längst als Lügner oder Schwachköpfe entlarvt. Die allgemeim gültige Schlussfolgerung war, dass sich Wissen ausschließlich auf dreierlei verschiedene Art im Menschen  manifestierte: In denen, die wussten, dass sie nicht wussten, in den anderen, die das noch nicht wussten und in den Weisen, die wussten, dass es nichts zu wissen gab.

Sanft ihre Brüste streichelnd – unter denen ihr Herz lag- schlief sie ein. Sie würde einen Weg träumen.

Mückenstiche

Manchmal braucht es nur einen Satz und du weißt, dieses Buch hat dir etwas zu sagen. In meinem Falle ist es dieser hier von Anais Nin:
And the day came when the risk to remain tight in a bud was more painful than the risk it took to blossom. 
Ansonsten fühlt es sich fast angenehm leer an, ohne den Drang, der mir sonst wie Mückenstiche am Hintern juckt, auch wenn ich das Jucken schon vermisse, als eine Art liebgewonnenes Laster und ich mich leise frag, wo es wohl hin ist. 
Apropos: Mückenstiche. Als Mädchen lief ich zu meiner Mutter und wollte einen Trick, mit dem ich dem Brennen nach dem Aufkratzen der Stiche entgehen könnte und ich erinnere mich, es war auf dem oberen Balkon unserer Wohnung, sie hing gerade die Wäsche auf, als sie antwortete: Du darfst halt nicht kratzen! 
Ich verstand die Welt nicht mehr: wie sollte das gehen? Sie erklärte weiter, dass es durch das Kratzen nur noch schlimmer würde, aber das überzeugte mich keineswegs, nur ein Erwachsener konnte auf die Idee kommen, nicht zu kratzen, wenn es juckt. 
 
Nun bin ich erwachsen-oder halte mich meist dafür-und kann es immer noch nicht verstehen, kratze meine Mückenstiche mit Wonne und fast so etwas wie Wollust auf,  zählen sie wohl zu den sinnlichsten Erlebnissen meines Sommers 2011.

Ich habe es satt!

Es stellt sich nicht die Frage, ob dieser Auftritt die Welt verändern wird, viel eher verfestigt sich durch ihn die Erkenntnis, dass die Wut heraus muss, explosiv wie es ihre Natur ist, sie nicht drinnen bleiben darf.
Dass diese Wut das Potenzial in sich trägt eine Gesellschaft zu ändern, daran besteht trotzdem kein Zweifel, liegt sie wohl jeder Revolution zu Grunde. Aber sie reicht niemals aus, um etwas besser zu machen, sie zerstört nur, aufbauen muss etwas anderes, nämlich ein tiefer gehendes Verstehen von Vielen.

mr big-to be with you