Mary am Meer

Monat: April, 2010

Neues von Prinzessin Wuschelkopf

Sie wanderte schon eine Weile, sie wusste selber nicht mehr, wie lange sie schon unterwegs war. Sie lernte viele Menschen kennen und immer begegnete sie ihnen offen, in dem Glauben, dass alle anderen es genauso seien.
Aber mit der Zeit lernte sie, dass das nicht so war und sie lernte noch etwas: Die meisten wollten belogen werden. Sie wollten nur die Bestätigung dessen, was sie selbst glauben wollten. Prinzessin Wuschelkopf wollte eigentlich nicht lügen, sie wollte niemanden spielen, der sie nicht war, nur um andere glücklich zu machen. Leider wollte sie auch sehr gerne andere glücklich machen und geliebt werden. Deshalb fing sie doch mit der Zeit an, für jeden die zu sein, die er wollte. Die anderen waren glücklich und Prinzessin Wuschelkopf war sehr beliebt.
Trotzdem war die unehrliche Prinzessin nicht glücklich, sie sah, die anderen lieben und konnte es selber nicht, außer auf eine oberflächliche Weise und sie wusste nicht mehr, wer sie eigentlich war. Sie hatte es vergessen.
Am liebsten wäre sie abermals aufgebrochen, diesmal um sich selbst zu suchen. Unglücklicherweise hatte sie mittlerweile ein Schloss, für das sie verantwortlich war und zu viele Untertanen, die von ihr abhängig waren. Sie brachte es nicht übers Herz, das alles zu verlassen.
Eines Tages saß sie im Garten, neben den Rosenhecken, die sie immer noch liebte und las Rumi:
Liebe hat mich des Schlafs beraubt: Das tut Fürst Liebe.
Fürst Liebe pfeift auf Seele und Vernunft.
Ein schwarzer Löwe ist er, hungrig und wild,
Der nur das Herzblut trinkt von Liebenden.
Fürst Liebe packt dich sanft und schleift dich dann
Zur Grube: Stürzt du hinein, schaut er gelassen zu.
Fürst Liebe ist ein Despot, ein herzloser Richter,
Der Unschuldige foltert und mißbraucht.
Fall du ihm in die Hände, und du weinst Ströme,
Entflieh ihm und du gefrierst zu Eis.
In jedem Augenblick zerschlägt er tausend Becher.
Näht hundert Kleider und reißt sie dann in Fetzen.
Zehntausend Augen bringt er zum Weinen,
Und ihn bringt das zum Lachen.
Tausend metzelt er hin, und sie sind ihm einerlei.
Niemand entrinnt seinen Ketten durch List oder Wahnsinn,
Niemand entschlüpft seinen Netzen, wie weise er auch sei.

Minus

Jetzt habe ich schon dreimal in Folge 13 Punkte geschrieben. Und auch wenn ich wie ein kleiner Streber klinge, ärger ich mich über das Minus hinter der 1. Warum schaff ich keine 14 (oder 15)?? So bleibt das Minus der Makel, der mich darauf hinweist, dass ich nicht so gut bin, wie ich  gerne wäre.
Und so ist es auch mit meinem Leben. Es ist sehr gut, aber mit diesem undefinierbaren Minus, das mir sagt, dass es besser sein könnte, dass da noch etwas fehlt. Ich hab mich schon an sein fehlen gewöhnt, dass es mir nicht mehr bewusst fehlt.

Elfchen Erdbeere

Rot
Die Erdbeere
Versprechen auf Glück
Im Moment des Augenblicks
Runtergeschluckt

Ich habe euch nicht sprechen beigebracht, damit…

Und schon ist mir mein eigener Ernst wieder lästig geworden. Es ist so viel lustiger, nichts wirklich ernst zu nehmen. Macht ihr mal alle, was ihr wollt. Ich habe vor zu leben und das Beste daraus zu machen.
Verreisen würde ich gerne, etwas von der Welt sehen, neues erleben. Sobald ich kann, werde ich das tun, hab ich mir fest vorgenommen.
In Deutsch müssen wir „Frau Jenny Treibel“ lesen. Sie ist zäh und ich tue mich mit dem fertig lesen schwer, weil ich jedesmal das dringende Bedürfnis einzuschlafen verspüre, sobald ich darin lese. Fontanes Bildungskritik kommt bei mir höchstens in der Form an, als dass ich die Fähigkeit des Sprechens der Protagonisten schon als zu viel der Bildung betrachte. Sie hätten lieber niemals sprechen gelernt. Sagte einmal ein Lehrer zu seinen Schülern: Ich habe euch nicht lesen beigebracht, damit ihr dann BZ lest!
Eine Stelle aus der Jenny geht mir aber nicht mehr wirklich aus dem Kopf: „Es ist damit wie mit dem Glauben. Es ist nicht nötig, daß das Richtige geglaubt wird, aber daß überhaupt geglaubt wird, darauf kommt es an.“
Ich befürchte, dass da ein wenig Wahrheit drin steckt. Jedenfalls ist er bisher der bemerkenswerteste Satz aus dem Buch.

1 qm Stoff

Nun schreib ich doch einmal etwas über diesen qm Stoff, der die Geister zu scheiden scheint. Die einen verdammen es, als Unterdrückung, fordern im Namen der Freiheit, sich frei davon zu machen. Die anderen idealisieren es und fordern die Frauen auf, im Namen Gottes, es anzuziehen.
Ihr könnt mich alle mal, denke ich und möchte weder hier noch dorthin gehören. Ich gehöre zu denen, die aufgehört haben, solchen Formalismen irgendeinen Wert zu geben.
Es wäre wirklich schön, wenn sich alle mal ein wenig entspannen, was dieses Thema angeht und sich locker machen könnten.
Vielleicht trage ich es eines Tages wieder, das Kopftuch. Ich habe nicht aufgehört, in ihm Schönheit zu sehen. Die Frau ist auch Frau, wenn sie sich bedeckt (und ich darf erwarten auch mit Tuch auf dem Kopf akzeptiert zu werden).
Leider wird ihr gerne eingeredet, dass sie außerhalb ihres Hauses nicht Frau sein darf, dass das Kopftuch dazu da wäre, sie temporär zu kastrieren, geschlechtlos zu machen.
Ich habe viel länger gebraucht, mich von dieser Überzeugung zu befreien, als dafür das Tuch abzumachen.
Irgendwie fast schon eine romantische Vorstellung, die Idee einer Welt, in der jede Frau nur für ihren Mann verführerisch ist und für alle anderen mehr als Mensch auftritt und auch wie ein Mensch behandelt wird.
Die Frauen würden repektvoller behandelt, nicht als Objekt. Die eigene Frau bliebe die Krönung, weil ihr Mann nur sie ausgezogen sieht. Männer wären hingebungsvoller, Ehen intakter, der „Wer ist die Schönste?-Krieg“ unter den Frauen unbekannt.
Aber die Realität sieht so aus, dass Männer ihre eigene Frau für andere Männer unantastbar machen möchten, sich selber aber an anderen Frauen freuen. Die Doppelmoral schreit zum Himmel, weil vor allem die muslimischen Männer gerne vergessen, dass sie (wenn sie ihren Gesetzen folgen möchten) aufgefordert sind, den Blick zu senken.
Das Ergebnis sind schizophrene Männer, die „Huren“ brauchen, um zu begehren und „Heilige“ wollen, um sie zu respektieren.

Das Begehren zwischen den Geschlechtern zu ent-erotisieren hat nichts mit vernünftiger Kritik an unserer sexgierigen Gesellschaft zu tun, noch etwas mit dem, was die Muslime damals praktizierten. Der Umgang war vor 1400 Jahren sehr viel offener, als die meisten muslimischen Gemeinschaften es heute sind. Da saßen Männer und Frauen nebeneinander, Frauen hielten öffentliche Rede, Männer dichteten sogar verheirateten Frauen Liebeslieder…
Wenn sich heute Frauen mit Kopftuch modisch anziehen, dann wird dahinter gleich ein Sittenverstoß gesehen, dem man gerne belehrend  Einhalt gebieten möchte. Als hätte der Mann an sich, der wohl kaum eine Vorstellung davon hat, wie es ist seine Religion auf dem Kopf zu tragen, irgendein Recht Anweisungen zu geben.
Immer will der Mann die Frau formen, sie an oder ausziehen. Im Endeffekt geht es doch nur darum die Kontrolle über sie zu behalten, so als hätte er Angst vor ihr.

Ich bin keine Emanze, im Gegenteil. Ich glaube an die Unterschiedlichkeit von Frau und Mann und an Jahrtausende alte Spannungs- und Verhaltensmuster und ich liebe es. Was ich nicht liebe ist, die brutale Unterdrückung der Frau, in wessen Namen auch immer.

Das Tuch im Kopf

Ein Mann erzähle keiner Frau, wie sie sich zu kleiden hat!

„Nicht bunt, nicht eng, am besten schwarz…“
Gäb es unsichtbar als Zustand, wäre sicher dies dein Favorit!

„Fatima trug auch kein rotes Kleid!“
Ja, und du kleidest dich, wie der Prophet?

„Denn die ganze Frau ist reizend.“
Das hoff ich wohl. Hast du ein Problem damit?

Wenn Begehren so ein Übel ist, dann sollen die Männer von nun an Augenbinden tragen!



Hilfe, die Welt flirtet mit mir!

Ich kann nicht aufhören mich zu wundern und zu staunen, wie stark die Wechselwirkung von dem, was wir ausstrahlen und dem was uns begegnet, ist.
Ich öffne mich der Welt und sie begegnet mir offen!
Die Globalisierung als Chance für mehr Gerechtigkeit, wurde letztens in Geschichte diskutiert. Ein schöner Gedanke, auch wenn ihm wie  viele schöne Gedanken, das Utopische anhaftet. Utopisch scheint uns alles, was wir nicht in der Realität umgesetzt wiederfinden. Mal abgesehen davon, dass wir dazu neigen uns auf das was falsch läuft, was schlecht ist, zu fokussieren, ist es wohl genau dieser Glaube, der uns davon abhält, die Welt in der wir leben, zu verbessern. Denn immerhin sind wir es, die sich unsere Realität selber schaffen.
Wenn wir unsere Ideale zur Utopie (im heutzutage gebräuchlichem Sinne, eines nicht zu erreichenden Zustand) erklären, dann ist das Ideal nichts mehr wert. Obwohl ich dann Dinge sage (und auch so meine) wie: „Nur weil ein Ideal noch nicht erreicht wurde, vielleicht auch nie erreichbar ist, bedeutet es nicht, dass man aufhören soll, so nahe wie möglich an dieses Ideal zu kommen.“, bin ich da selbst gespalten. Die Kritikerin tritt der Idealistin ständig auf die Füße. In einer Welt zu leben, in der es keine Länder mehr gibt, alle Weltenbürger I. Klasse, Empathie eine Selbstverständlichkeit  und kein Fremdwort ist, scheint so ein Ideal, wobei ich mir nicht einmal sicher bin, ob es das ist.
Denn ein Leben ohne Kampf, Reibung, Hürden, wäre auch eines ohne Wachstum, Entwicklung und Versöhnung. Es wäre stinklangweilig. Vielleicht sollte man die Chancen nur gerechter verteilen und ein wenig Empathie für jeden, würde auch niemandem schaden.
Wir können schon etwas bewirken, wenn wir als Konsumenten unser Kaufverhalten von dem Marketing der Konzerne abhängig machen. Kurz: Kauft Fairtrade!
Gestern saß ich in einem Kaffee, trank einen Kaffee und beobachtete dabei die Menschen, um mich herum. Vor den Toiletten hing ein Schild, auf dem sinngemäß stand: Wenn sie mit den Toiletten zufrieden waren, dann freut sich unser Personal über ein Trinkgeld von 30 Cent!
Irgendwie dreist. Ne, wirklich dreist. Aber nichts, was mich aufregt. Es gibt schlimmeres auf der Welt. Ich bin bereit diese 30 Cent zu bezahlen.
Da die Toiletten aber die meiste Zeit besetzt waren, fragte ich den Toiletten-Mann, ob die Toiletten frei wären. Seine Augen blitzten auf; dunkle, müde, ältere, freundliche Augen, waren das. „Wie bitte?“, fragte er und ich wiederholte meine Frage, die er sicher schon hundert-tausendmal gehört hat. „Welche Sprache haben sie gerade gesprochen?“ fragte er daraufhin. „Deutsch!“, antwortete ich und lächelte. „Ich habe eine andere Sprache verstanden. Woher kommen sie?“, fragte er weiter. Wissend, worauf er hinaus will: „Mein Vater ist Araber.“ Wieder das Blitzen in seinen Augen, das sicherer, als sein Lächeln zeigt, wie er sich freut, so als würde eine Lampe angehen: „Salamu Alykum!“- „Wa Alykum Salam!“. Ich gehe auf Toilette. Als ich am Hände waschen bin, werden mir Papiertaschentücher durch den Türspalt gereicht und als ich wieder herauskomme, möchte er die 30 Cent nicht annehmen, ich lege sie aber einfach in den Teller und sage: Mae Salamah und gehe.
Es ist komisch, dass er mich arabisch sprechen gehört haben will, wo ich Deutsch gesprochen habe. Einen Akzent habe ich doch auch nicht.

Mary am sonnen

Wie so oft, wenn man sich eine Frage stellt, findet man die Antwort wie zufällig von selbst. Manchmal findet man sie in einem heiligen Buch, manchmal auf in einem Hollywoodstreifen und manchmal in uns selbst.

Ich fand sie, als Zitat des Tages von Imam Ali:
 „Obstinacy will prevent you from a correct decision.“

„Sturheit wird dich daran hindern, eine richtige Entscheidung zu treffen.“

Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, außer dass wir Menschen halt (leider) sture Wesen sind die die Sturheit immer nur im anderen sehen.
Und ich verstehe Sturheit im weitesten Sinne. Wir suchen meist eine Bestätigung dessen, was wir eh schon glauben, wünschen.
Wir sind alles andere, als objektive Wesen und damit meine ich nicht, dass uns unsere Gefühle im Wege zur Objektivität im Wege stehen, denn ansonsten wären Computer die besseren Menschen. Ich meine, dass wir voreingenomme Denker sind. Unser Gedanken selbst verhindern gerechte Urteile. Das ist der Grund, warum ich der Möglichkeit einer Wahrheitsfindung im allgemeinen immer kritischer gegenüber stehe. 
Aber das Wetter ist viel zu schön, um heute weiter darüber nachzudenken. Die Sonne weckte mich heute und versprach uns allen:
Das Leben ist schön. Du kannst alles sein, was du möchtest. Wer möchtest du sein? Nimm meine Strahlen und gebe sie weiter. Alles kommt immer wieder zurück zu dir. Lass deine Ängste los, schick sie mir und ich werde sie verbrennen. 
Du hast schon gemerkt, wie es läuft, dass alles nur ein Spiegel ist. Lachst du die Menschen an, lächeln sie zurück. Du gestaltest dich selbst und du dein Leben.
Was sich anhört, wie aus einem kitschigen Lebensratgeber, bekommt von der Sonne gesprochen eine andere Bedeutung :).
Es erscheint mir wie Magie und vielleicht ist es das auch, wie unsere Einstellung die Dinge ändert. Meine Welt hat sich nicht wirklich geändert. Die Ungerechtigkeit die auf der Erde herrscht ist immer noch dieselbe. Meine persönliche Lebenssituation ist immer noch schwierig. Meine Fragen kennen immer noch nicht alle Antworten. 
Aber ich lache dabei. Ich genieße, dass was schön ist und finde dabei immer mehr davon. Das worauf wir unseren Fokus setzen, dass werden wir intensiv wahrnehmen.
Wenn das nicht eine Art der Zauberei ist!
Die Welt steht uns offen. Alles ist möglich. Genießt diesen Tag und steckt die neben euch an, ihn zu genießen.
Ich kenne kaum ein schöneres Gefühl, als eine(n) Unbekannte(n) durch einen freundlichen Blick zum Lächeln zu bringen. So wenig Arbeit, so viel Effekt. Magie!

Ich bin dann mal weg und erobere die Welt.


Vom Wollen und Sein

Morgen kommt der Innensenator von Berlin, Herr Körting in die Moschee und ich überlege, ob ich die Schule Schule sein lasse und mir das angucke. Ist ja schon eine Ehre und besondere Gelegenheit.

Ansonsten ist es merkwürdig…es gibt kaum etwas, das ich berichten will. Manches ist mir zu persönlich, manches auch geheim, manches nicht des Sagens würdig und manches noch zu klein (hehe, das dramatisch-poetische ist mir wirklich irgenwie abhanden gekommen).

Aber einen (etwas) habe ich noch:
“ Meine Töchter!“, sagte ich heute morgen, noch halb am schlafen, mit Kaffee in der Hand: „Ihr werdet einmal zu den schönsten Frauen der Welt gehören. Es werden sich viele Männer für euch interessieren. Nehmt nicht den erst besten! Lasst euren Geist, euer Herz und jede Faser in euch erobern! Nur wer das schafft, hat eure Nähe verdient.
Macht euch kostbar, seid euch eures Wertes bewusst!  Wenn euch einer den ihr mögt, nicht genug schätzen kann, dann lasst ihn und sucht jemand anderen. Er hat euch dann einfach nicht verdient.

Und macht euch nie abhängig von jemanden, dass Geheimnis jeder begehrten Frau liegt in ihrer Selbstzufriedenheit, emotionalen Unabhängigkeit und zu Teilen auch in ihrer Unerreichbarkeit.

Meine schönen Töchter, ich erzähle euch nicht, äußere Schönheit wäre vollkommen unwichtig, es käme nur auf die inneren Werte an. Wir sind auch unser Äußeres und das ist es, was von uns zu sehen ist. Aber dahinter scheint dein Inneres und das kann leuchten oder nur ein Schatten sein.
Liebt euch, nehmt euch an, verzeiht euch, dann werden euch und werdet ihr auch die anderen lieben, annehmen, und sie euch und ihr ihnen verzeihen.
Macht euer Inneres noch schöner, als euer Äußeres, lasst euch aber nicht alles gefallen. Schön sein, heißt auch Nein zu sagen, nichts auf die Meinungen der Leute zu geben und sich selbst, und mit sich im Reinen, zu sein.
Ich liebe euch, was oder wer immer ihr auch sein wollt. Aber merkt euch: Ihr werdet zu den schönsten Frauen der Welt gehören!“
So oder so ähnlich redete ich auf sie ein, die eine am Nacken massierend, der anderen in die Augen guckend.
Vielleicht glauben sie mir ja, wenn ich das ab heute jeden Tag wiederhole. Vielleicht erspare ich ihnen den schwierigen Kampf um die Selbstakzeptanz und die Diskrepanz zwischen wollen und sein.

Einmal die Friedrichstraße hoch

Heute bin ich die Friedrichstraße hochgelaufen. Ich mag die Gegend mittlerweile (früher fand ich sie nur künstlich und affektiert), dort habe ich das Gefühl, ich wäre in einem Film und ich könnte eine andere sein, wenn ich wollte.
Ich mag auch den Kontrast von Neuem und Alten. Gerade aus, vor mir, die neuen, Gebäude, deren Schönheit in ihrer Schlichtheit, klaren  Linien und Glanz liegt. Nach rechts geschaut, blitzen die alten Gebäude durch, die irgenwie verdrängt wurden und dennoch nichts von ihrer Königlichkeit und Ästhetik verloren haben.

Ich lief wie schon gesagt die Friedrichstraße von Kochstraße bis Stadttmitte hoch, hatte dort das Fitness First for Ladies ausprobiert, und war nicht gerade überwältigt. Der erste Eindruck an Orten bekommt keine zweite Chance, wie bei Menschen. Entweder ich mag es oder nicht. Ich mochte es nicht. Zu zerrissen, unruhig, als wären Räumlichkeiten umfunktioniert worden, die gar nicht für den Zweck geeignet sind. In der Mitte die Treppe nach unten, so dass ich das Gefühl nicht los wurde über das Geländer hinunter fallen zu können, das ganze im Erdgeschoss, dass mir das Gefühl gab, trotz Milchgläser beobachtet zu werden.
Aber um nicht nur zu meckern: Ich habe endlich wieder Sport gemacht. Außerdem kam mir ein neuer Berufswunsch: Fitness-Studio-Checkerin, weltweit.
Ich fände es sehr spannend, die Fillialen zu vergleichen und zu analysieren.

Ich lief wie also die Friedrichstraße hoch und rechts vor mir bog doch tatsächlich eine Taube in die Taubenstraße ein!! Plötzlich kam ich mir vor, wie Alice im Wunderland. Als dann ein Ehepaar in weihnachtsmannähnlicher bunt-rosa-roter-lila Kleidung an mir vorbei ging, war die Illusion perfekt.

Bei Dussmann blieb ich letztendlich hängen, ich würde dort am liebsten einziehen. Die haben eine Philosophie-Abteilung und allerlei anderes. Ich nehme gerne Ratgeber in die Hand, die ich mir nie kaufen würde und blätter darin herum.

Bist du ein Liebender?

Was ist zu tun, o Moslems? Denn ich erkenne mich selber nicht. Ich bin nicht Christ, nicht Jude, nicht Parse, nicht Muselmann. Ich bin nicht vom Osten, nicht vom Osten, nicht vom Westen, nicht vom Land, nicht von der See. (…) Mein Ort ist das Ortlose, meine Spur ist das Spurlose; es ist weder Leib noch Seele, denn ich gehöre der Seele des Geliebten.“





Komm, komm, wer immer du bist, komm!
Gläubiger, Untreu oder Heide, ganz egal…
Unsere Karavane ist nicht jene der Hoffnungslosigkeit!
Unsere Karavane ist jene aller Hoffnungen!
Komm, auch wenn Du Deine Versprechen tausend Mal gebrochen hast!
Komm, komm….


Der Mann sagte: Was von Gott kommt, ist gut.
Mevlânâ sagte: Nun schön, alles ist von Gott. 
In Beziehung zu Gott sind alle Dinge gut, aber in Beziehung zu uns nicht.


In Wahrheit gibt es nur ein einziges Licht, das durch unterschiedliche Fenster scheint und uns durch die Person jedes einzelnen Propheten erreicht. 


Gott ist allmächtig und voll Mitleid, 
doch wenn du Gerste anbaust, 
hoffe bei der Ernte nicht auf Weizen


Kein Glaube gleicht der Religion der Liebe: 
Dem Liebenden ist Gott Ritus und Glaube. 

Für die, welche lieben, gibt es nicht Moslems, Christen und Juden.Für die welche lieben, gibt es nicht Moslems, Christen und Juden. Für die, welche lieben, gilt weder Glaube noch Gottlosigkeit. Für die, welche lieben sind Körper, Geist, Herz und Seele eins. Warum dann auf jene hören, die dies anders seh´n? Jene, die nicht lieben, haben keine Augen.“ 

Jalaalud-Din Rumi, 13. Jahrhundert

Immer wieder Rumi

art450224029101_fb57a6c8a1_o.jpg Beautiful Persian art iran miniature image by FuckBush-4-Life

“All day I think about it, then at night I say it. Where did I come from, and what am I supposed to be doing? I have no idea. My soul is from elsewhere, I’m sure of that, and I intend to end up there.”

Rumi

Mary an der Alster

Das sich- zurück- sehnen nach alten Zeiten, die Vergangenheitsbezogenheit und die Idealisierung dieser, kann ich immer wieder bei anderen Menschen beobachten. Früher war alles besser! Ich kann diesen Zug im Menschen nicht wirklich verstehen, mir ist das fremd.
Mein Blick ist nach vorn gerichtet. Hinter meinem Rücken hält mich nichts. Was noch kommen wird, das Neue, interessiert mich.

Die beste Form des Leben soll das Leben im Jetzt sein. Weder zurück, noch nach vorn. Denn das Vergangene ist vorbei und die Zukunft noch nicht da. Auch wenn diese Erkenntnis eine uralte ist, uns Menschen wird sie immer wieder fremd und verwunderlich vorkommen. Und wenn man sich darein steigert, und sieht, dass es reelle Zeit eigentlich nicht wirklich gibt, weil sie immer gleich wieder Vergangenheit ist, dann kann man darüber schon so einige Tassen im Schrank verlieren.

Hamburg war sehr schön, noch nie habe ich mich in einer Gemeinschaft so dazugehörig gefühlt, wie dieses mal. Und ich musste einsehen, dass es mein subjektives Empfinden ist, das mich einsam fühlen lässt oder nicht. Nicht die Menschen außen draußen.
Fremdwahrnehmung und Eigenwahrnehmung sind oft Parallelwelten, die keinen Berührungspunkt haben.
Es ist als würde ich mich endlich mit mir ausgesöhnt haben. Ich fühle mich unter Leuten nicht allein und  alleine nicht einsam.

Am Montag möchte ich wieder mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Habe auf meine Eitelkeit verzichtet und mir einen Fahrradhelm (können, die keine schönen produzieren?) gekauft. Das Fahren auf der Straße scheint mir abenteuerlich und ich weiß schon, warum ich trotz Führerschein, kein Auto fahre.

Was das Thema Eitelkeit angeht, so wage ich zu behaupten, dass jeder (die berühmten Ausnahmen ausgenommen) eitel ist. Jeder möchte für den anderen als schön wahrgenommen werden, nicht nur die zurechtgemachten Menschen. Ist nur die Frage, ob wir das ablegen oder uns damit im gesunden Maße abfinden sollten. Ich tendiere zu letzterem, das mir verbieten wollen, mich hübsch zu finden, ist gründlich in die Hose gegangen. Wir haben einfach keine Wahl, wir müssen uns selbst lieben und das schließt das äußerliche auch mit ein, denn zumindest in dieser Welt können wir nicht aus unsere Haut.

Aber ich weiß, dass ich den Faktor der individuellen Ausstrahlung eines Menschen immer noch nicht richtig verstanden habe. Ich sehe zwar, dass zwei Menschen sich äußerlich sehr ähnlich sein können, durch ihren Charakter aber total unterschiedlich sein können (der eine zum Beispiel im Mittelpunkt, begehrt und der andere immer der unsichere Einzelgänger), trotzdem reduziere ich mich (wenn es mir drauf ankommt) immer wieder auf mein Äußeres und stelle plumpe Vergleiche an. Meinte meine Schwester: „Dafür dass du sonst so tiefgründig bist, bist du ganz schön oberflächlich.“ Sie hat Recht. Beruhigen tut mich, dass ich andere Menschen vor allem wegen ihrer Art/Intelligenz anziehend finde.
Eine schöne Oberfläche hat mich noch nie mehr als fünf Sekunden interessiert, wenn sie innerlich nichts zu bieten hatte. Intelligenz ist definitiv „sexy“.

Werde heute mein Bad renovieren und deshalb gleich in den Baumarkt, welche Farbe soll ich für die Wand nehmen??

Platon´s Irrtum

Morgen geht es los, unsere Reise. Das Reisefieber, die Unruhe und Hektik meiner Kinder wirkt irgendwie lähmend auf mich (Exkurs: auch wenn ich noch nicht vergessen habe, wie da Gefühl damals vor einer Reise war. Die Reise war in der Luft zu riechen und in meinem Bauch kribbelte es). Ich habe früher nie verstanden, wenn in Büchern, die eine Person die Antihaltung einer anderen annahm. Ich fand diesen Tom&Jerry-Effekt albern und unnötig.
Ich hielt mich für autark. Das war natürlich totaler Quatsch. Sicher reagieren wir nicht nur einfach roboterhaft, es wird immer unserer persönlicher Charakter mit einfließen (und doch gibt es Menschen, die meinen die Reaktionen der Menschen mathematisch ausrechnen zu können).

Ich frage mich, ob ich der Bösewicht wäre, wenn ich in einer Welt voller Lieb-menschen leben würde. Ob mich das Gute so anekeln würde, wie es jetzt das Schlechte tut. Ich hoffe, dass ich mehr bin, als die geborene Oppositionelle.

Es ist unser unmittelbares Umfeld, in dem wir mit unseren egoistischen Seiten konfrontiert werden. Und es ist das Kleine, schon tragisch miteinander verknotet,  das uns erklärt, warum das Große nicht durch ein paar ergreifende Worte lösbar ist, nicht durch Lieder und Kerzen in den Händen. Und wer meint, die Probleme der Welt beantwortet zu haben, der ist entweder sehr dumm oder erleuchtet.

Ich frage mich wie viele von den Predigern, den Schöngeistern, den Friedensmachern, es schaffen, ihren eigenen Frieden mit sich und ihrer Familie (wobei die Familie hier, als der Spiegel seiner selbst zu betrachten ist) zu machen? Es scheint doch einfacher, die Welt zu verändern, als sich selbst.
Platon hatte Unrecht, als er meinte das Gerechte im Großen (also im Staate) besser erkennen zu können, als im kleinen. Ich glaube genau darin liegt unser Irrtum, Gerechtigkeit mit Goldstaub zu vergleichen.

Wenn ich mich beobachte, wie ich mich verhalte, wenn es mir alles zu viel wird, ich mich verletzt fühle, ich einfach wegrennen möchte, dann bekomme ich eine vage Vorstellung, warum vieles so ist, wie es ist. Es gibt keine Ideologie, kein System, dass uns automatisch zu besseren Menschen machen könnte.

Wenn es nach mir gehen würde, dann würde ich mich jetzt einschließen, alle ausschließen, die Welt und mich vergessen, malen bis ich nicht mehr weiß, was mein Name ist, wo ich bin und auch das Warum vergessen habe.
Und ich weiß nicht, ob es gut ist, dass ich meine Bedürfnisse nicht ausleben kann, oder nicht. Ob es Zufall ist, dass eine freiheitsliebende Seele, wie ich, sich in eine einengende Situation, wie meine, gebracht hat. Aus einer Ehe kann man heutzutage immer aussteigen, aber seine Kinder kann man nicht scheiden.

Ich tröste mich damit, dass es wichtig sei, sozialpotent zu bleiben. Oder finde ich diese egoistische, jeder- ist- sich- selbst- der- nächste-Gesellschaft nur so armselig, weil ich es selbst nicht sein darf? Vielleicht wäre ja genau das die richtige Lebensform, jeder mit dem höchstmöglichen Raum an Freiheit und man hilft, wenn man gerade gut drauf ist und kann. Jeder in seiner glücklichen Seifenblase.
Was spricht eigentlich dagegen?