Fragen
Wenn die Worte ausgehen. Und dann wiederkehren.
Existiert Glück solange andere so leiden?
Wie kann ich Frieden finden, solange sich die Welt im Krieg befindet?
Und kann man mitten im Krieg Frieden finden?
Und wie könnt ich das von meinem warmen, sicheren Zimmer aus bejahen?
Solange ich nicht dieses Kind gewesen bin, das voller Blut und Staub
und doch noch vollerer Klarheit in die Kameras der Welt schaut. Auf eine gewisse Weise erstaunt.
Wie kann ich es bejahen, solange ich nicht die Mutter gewesen bin, die all ihre Kinder mit einem Schlag verlor, solange ich nicht gefroren, gehungert habe, verängstigt, geflüchtet so weit jenseits all meiner Grenzen gewesen bin?
Wächst die Schrecklichkeit der Ermodeten mit ihrer Zahl und wenn ja, warum ist das so? Und verliert all das andere Leiden in Relation zu dem größeren (qualitativ und quantitaiv empfunden) seine Bedeutung? Hat Leid überhaupt eine Bedeutung und wenn nein, warum erscheint es uns so schwer zu akzeptieren?
Wie könnten wir erleichtert sein, dass es uns nicht getroffen hat, wenn es doch andere traf? Wir/Viele spüren in diesen Tagen, dass wir ein Körper sind.
Noch nie warst du „anderer“ mir so nahe wie in diesen Tagen, so als könnte meine Seele so schnell den Platz tauschen. Und deshalb kann ich nicht sagen: Gut, dass uns nichts passiert ist.
Und wenn ich diesen Weg weiter gehe, dann wird mir auch der nahe sein, der von der Rettung des Abendlandes spricht, fest überzeugt, dass es hier um einen Kampf a la Herr der Ringe geht, die Achse des (!) Guten und des (!) Bösen und so. Die Werte der Freiheit und des Menschensrechts, die er meint zu verteidigen, die Zivilistaion und der feine Geist, Erfindungen des Westens und alles was hoch und erhaben ist gegen blutrünstige Barbaren, die ohne jeden Grund, nur im Namen einer menschenverachtenden Religion, die keinen anderen Inhalt besitzt als alle Andersgläubige zu vernichten. Der sich weigert, einzusehen, dass wenn man die Welt schon in zwei teilen will, der sogenannte Westen in einem alten, scheinheiligen Kreuzugs (erst im Namen der Religion und dann im Namen der Demokratie) unvorstellbar viel Zerstörung über so viele Teile der Erde brachte und wenn derjenige Recht hat, der zu den Anschägen in Istanbul schreibt, dass wer Gewalt säht, Gewalt ernten wird während er nach den Anschlägen in Nizza sein Profilbild mit der französischen Fahne färbt, wenn er Recht hat mit seiner Gewaltsresonanztheorie dann Gnade uns Gott oder auch nicht, je nachdem wie man das sieht, dann werden wir (Anwohner der westlichen Welt) noch sehr viel Gewalt zu ernten haben.
Ok, ich gebe es zu, noch sind mir diese Menschen nicht nahe, das Empfinden von Ungerechtigkeit schafft eine Grenze zwischen ihm und mir.
Aber ich wünsche mir, das zu überwinden.
Denn das ist unsere einzige Chance.
Das ist unsere einzige Chance. Ansonsten gehen wir alle gemeinsam drauf. Früher oder später.
Und wenn ich den Weg weiter gehe, dann ist mir irgendwann auch der nahe, der seine und meine Religion vergewaltigt, entwürdigt, der behauptet auf Befehl eines allbarmherzigen Gottes zu handeln in dessen Namen er jedes seiner Gebete beginnt, der sein Herz schon vor so langer Zeit verschlossen hat. Der mit der Scheinheiligkeit des Westens argumentiert, damit, dass ihre Toten keinen Wert in den Augen der Welt haben und dass Auge um Auge schon im alten Testament steht und daraus ableiten will, dass erlittene Ungerechtigkeit das Recht zu mehr Ungerechtigkeit gibt. Der mit Köpfen Fusball spielt und dabei in die Kamera grinst, der meint, es wäre weniger grausam zu seiner Grausamkeit zu stehen anstatt von Weitem Bomben zu werfen. Der meint, er stirbt als Märytrer mit Blut Unschuldiger an seinen Händen und wacht im Paradies wieder auf mit Jungfrauen und/oder Weintrauben und was das Herz so begehrt. Aber sein Herz ist schon so lange tot. Wie könnte etwas anderes als noch mehr Tod auf ihn warten?
Und dann wäre mir auch der Herrscher nahe, der von seinem Schreibtisch aus strategische Entscheidungen fällt, der von seinem Schreibtisch aus ganze Städte vernichten kann und es tut, Kriege anzettelt, der den Feind seines Feindes zu seinem Freund macht, dem jedes Mittel den Zweck heiligt, der sieht, dass die Welt zugrunde geht und sie weiter ausbeutet. So als könnte er irgendetwas mit ins Grab nehmen.
Wir sind eins, ob wir es wollen oder nicht. Unsere Einstellungen/Ideologien/Religionen/moralischen Werte mögen uns trennen, aber wir gehören zu einer Seele. Und es ist höchste Zeit, das zu erkennen.