Mary am Meer

Monat: Juni, 2013

Von Unabhängigkeitserklärungen

Dieser Augenblick, in dem die rational erkannten Dinge die Gefühlsebene erreichen und sich in einer befreiender, orgasmusartiger Erleichterung in einem ausbreitet. Wenn ich nur wüsste, wie ich diesen Vorgang beschleunigen könnte. [Ist diese quälende, unüberwindlich scheinende Dissonanz zwischen Verstand und Gefühl ein typisch weibliches Problem? Ein menschliches..?]

Nie wieder, sage ich mir. Nie wieder und weiß doch, ich werde es wieder tun. Das Scheinen einer Seele in ein Foto sperren und ein paar Sätze mit allem möglichen füllen. Nie wieder, sagt man, nachdem man etwas durchschaut.

Es wird jemand erscheinen, in ein anderes Gewandt gekleidet, anders und doch so gleich, weil das was man da tut, doch wieder das gleiche ist. Man legt seine ganze Existenz in die Hände dieses anderen und gibt ihm Macht von der er weder Ahnung hat, noch zu träumen vermag.

Die Klarheit des Verstandes ist dabei nicht außer Kraft gesetzt,

im Gegenteil, er moniert unermüdlich  den Widerspruch, den Wahnsinn, die Unsinnigkeit, wird zu einem ungeliebten Propheten, von dem man weiß, er hat eigentlich recht, aber man will ihn nicht hören, kann nicht, denn man ist zu beschäftigt, festzuhalten am dem Gefühl der eigenen Bedürftigkeit, die man so lange weggesperrt hat, dass man sie nicht mehr  finden konnte, nun ist sie wieder da und mit ihr, der Wunsch nach Erlösung.

Das Loslassen steht zutiefst im Widerspruch zu unserer menschlichen Natur. Gerade deshalb liegt in ihm das Potenzial zu erwachsen, seine eigene Unabhängigkeitserklärung zu schreiben.

Manche lassen Luftballons steigen. Das hat mir noch nie geholfen (ehrlich gesagt, habe es auch noch nie probiert, weiß aber, dass es mir nicht helfen würde.) Ich lasse los, wenn dass Scheinen der Seele durch den Körper verblasst; übrig bleibt irgendwann die reine Hülle und eine schwache Erinnerung an die Besonderheit des Augenblickes, wo beides noch zusammen gehörte.

Die Sehnsucht ist die Droge, nicht die Sucht.

Meine erste Begegnung mit Herrn K

Es war an einem Sonntagmorgen, als Herr K mir zum ersten Mal begegnete. Die Nacht zuvor war Vollmond gewesen und zur Morgendämmerung sangen die Vögel als wäre es ihr erstes oder letztes Mal. Ich selbst lag schlaflos im Bett mit Husten und Kopfschmerzen, ein Husten, der sich schon seid Monaten bei mir eingenistet hatte, so dass ich schon fast an ihn gewöhnt war, in dieser Nacht aber litt ich unter ihm, so dass mir Mond egal war. Die Vögel stellte ich mir in bunten Federkleidern vor, was eine tropische Atmosphäre heraufbeschwor, die meine Kopfschmerzen erklärte und wenn man es nicht so genau nahm, auch den Husten.

Ich schlief erst nach dem Aufgehen der Sonne ein, ein kurzer Schlaf, der kaum Erholung brachte, nur so viel, dass ich aus dem Bett steigen konnte, Kaffee machen. Luft!- dachte ich. Ich brauche Luft. Und so taumelte ich im Schlafanzug aus dem Haus, die Kaffeetasse in der Hand. Luft!

Draußen angekommen, bemerkte ich, dass es auch dort kaum Luft gab, alles war klamm und drückend, es schien als wäre die Luft am Ende ihrer Ressourcen angekommen und ich dachte meine Panik und den nächsten Hustenanfall unterdrückend:

Wir haben uns die ganze Zeit, um die falschen Vorhaben Sorgen gemacht.

Ich stolperte über das Feld, kein Mensch war zu sehen. Das erleichterte mich: Was wenn die anderen es auch wahrnahmen, den Mangel an Luft? Dann wäre es erst wirklich wahr.

Mein Kaffee war inzwischen kalt geworden, ich schüttet ihn über mich, damit ich die Luft spüren könnte, sie aus ihrer Unsichtbarkeit herausholen, sie enttarnen. Aber es bleib nur das Gefühl kalten Kaffees auf meiner Brust, dem Bauch und den Beinen, klebrig obwohl kein Zucker drin war.

Luft! Ich stolperte weiter und versuchte mir einzureden, dass ich schlief. Vielleicht war das Kissen über mein Gesicht gerutscht. Ich tastet mein Gesicht ab. Nichts. Ich machte Bewegungen in dern luftleeren Raum, so als entfernte ich ein Kissen. Immer noch keine Verbesserung.

Die Brust wurde zunehmend enger. Das Atmen fiel immer schwerer. Gleich kippe ich um, dachte ich. Aber ich blieb stehen, wie in einem Vakuum gefangen. Da sah ich ihn auf mich zukommen, Herrn K.

Mit letzer Kraft winkte ich ihm zu, er winkte fröhlich zurück und kam weiter auf mich zu.

Luft, sagte ich. Guten Morgen, sagte er.

Es klingt unglaublich, aber mit einem Mal verflog meine Panik. Es tat sich die Idee einer Möglichkeit-wie verwegen sie auch gewesen sein mag-ohne Luft atmen zu können! Wenn er Guten Morgen sagen konnte, dann müsste doch alles Mögliche möglich sein.

Herr K war ein großer, schlanker Mann mit langen, rabenschwarzen Haaren und einem durchdringenden Blick. Ich hatte immer etwas für Männer mit langen, schwarzen Haaren übrig gehabt und so war er mir sofort vertraut. Dass er barfuß war, beunruhigte mich nicht, im Gegenteil, ein Mensch, der mit nackten Füßen auf der Erde zu laufen versteht, das muss ein guter Mensch sein, dachte ich und nahm seine Hand, ließ mich mit ihm ziehen. Es fühlte sich an, als hätte ich klitzekleine Rollen unter den Füßen und er zöge mich mit, so dass ich meine Energie zum atmen benutzen konnte, wofür ich Herrn K sehr dankbar war und ich beschloss, ihn mit allen angebrachten und unangebrachten Fragen zu verschonen.

Es roch immer stärker nach Meer und ich wunderte mich nur wenig, hier gab es weit und breit kein Meer. Und wie konnte ich das Meer ohne Luft riechen?

Wir sind da, sagte Herr K.

Wo, wollte ich fragen, erinnerte mich jedoch gerade noch rechtzeitig an mein Vorhaben und nickte nur mit dem Kopf.

Es ist schön anzukommen, sagte ich. Und er sagte: Ich wusste, dass du es verstehst.

Woher, lag mir auf der Zunge,

aber da umwehte mich mit einem Mal eine Brise, so dass es ganz unwichtig wurde.

Ich habe ein Haus aus Toilettenpapier gebaut, sagte Herr K. Er klang sehr stolz dabei. Man muss nur wissen wie, sagte ich. Und er nickte mit dem Kopf und sagte: Ich habe mit den Türen angefangen. Wasser und Toilettenpapier.

Lebensbeweise oder das Versiegen der Worte

Wenn es nichts mehr zu berichten gibt,

ist das nicht merkwürdig, das Versiegen der Worte und der Gedanken, der Suche, dieser Suche, die schon so lange zu einem gehörte, dass man sich nicht mehr an ihren Anfang erinnern kann. 

Ich wollte ein Du-Heftchen schreiben, in dem ich genau das tue, was ich heute (als Erwachsener) gar nicht mehr mag, als Kind aber als unglaublich raffiniert empfand:

Lieber Leser, du kennst mich nicht, aber das ist auch nicht weiter wichtig, denn ich kenne dich auch nicht.

Vielleicht sitzt du gerade in der Bahn, aber auch das wo ist eigentlich nicht wichtig. Nur das wie, darauf soll es uns beiden ankommen. Wie fühlst du?-dich und deine Welt.

Kennst du das, wenn ….

Sowas in der Art wollte ich schreiben,

aber dann war auch schon das wie nicht mehr wichtig, und wie sollte es auch, wenn das eigene immer blässer wird, wie sollte da das wie eines anonymen anderen wichtig sein?

Was wünscht du dir?- fragte er mich und ich konnte es zuerst nicht laut aussprechen aus Angst, der gesprochene Satz würde wieder Macht über mich ergreifen, mich aus meiner Gleichgültigkeit werfen, wie Adam aus dem Paradies. 

Nach einer Weile sagte ich leise: Ich wünsche mir jemanden. 

 

 

Gehirnströme oder: die neue, gute Werbung

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Die Entdeckung der Gleichgültigkeit

Je mehr man lernt, zu schweigen. 

Läuft man nicht mehr in Gefahr, all zu leicht auszulaufen. 

Hinein in ein etwas, das zu gleichmütig ist, um einen zu (er)tragen. 

Und mit der Zeit lernen wir, dem etwas mit ähnlicher Gleichmut zu begegnen. 

So kam es, dass sie das Meer nicht nach seiner Farbe unterschied. Was zur Folge hatte, dass sie keine Sehnsucht nach ihm spürte und nur fuhr, um ihre Pflicht zu erfüllen, jedenfalls meinte sie, dass es so wäre. 

Da war kein Ruf in ihr, dem es sich zu folgen lohnte. Etwas jedoch bestürzte sie, eine ganz neu gemachte Entdeckung: Neugier von der anderen Seite (des Seins). 

 

Verwaister Traum

Ein Art Waisenhaus zu leiten. Das eine blond-gelockte Mädchen weint, weil die andere, die ich noch nicht kenne, die Schaukel nicht frei machen will. Angeblich. Schnell bin ich bei der Schaukel und schnell [viel zu bereitwillig um ihren Ruf als grausame Schaukel Besetzerin gerecht zu werden] verlässt sie die Schaukel mit mir an der Hand. Sie ist zart und ich mag sie mehr als das andere Mädchen, das nun stumm und lustlos auf der Schaukel sitzt. 

Wie alt bist du?-frage ich und sie zieht ihre Fingerchen eines nach dem anderen in die Höhe. Ich sage drei mit einem winzigen Ton Erstaunen in meiner Stimme. Da erscheint schon der nächste Finger und ich sage:

4.

5.

6.

6? Sie zieht ein Finger zurück. 5 also. Mit 6 Fingern an der rechten Hand.

Ein Feuer bricht aus und ich renne um die Kinder daran zu hindern ins brennende Haus zu laufen. Ich bin vor ihnen da und habe trotzdem Angst, dass eines hinein rennt. Laut verkünde ich: Wir gehen in ein schöneres Haus! Viel schöner. Und glücklicher sind wir da auch.

Die Kinder strahlen.

Mensch, habe ich Angst um euch gehabt. So große Angst! Wenn euch etwas passiert wäre, das wäre so schrecklich gewesen.

Die Herzen der Kinder- wie soll man das sagen?- sie seufzen, ohne dass man es hört, aber es ist spürbar ihr Seufzen [was für ein merkwürdiges Wort, wenn man es schreibt und danach auch beim im Mund beim Sprechen], so als würde Liebe Sorgen bedeuten.

Mittlerweile löste sich ein Dreieck Haut um meinen Bauchnabel. Natürlich war das eine merkwürdige Angelegenheit und etwas eklig war es auch. Ich versuchte es zu befestigen, aber es klappt immer wieder herunter und wurde zudem größer, so dass ich das Bauchfett spüren konnte, wie es prickelnd herunter tropfte. Hätte ich wenigstens ein Pflaster gefunden, aber so?