Mary am Meer

Monat: Oktober, 2011

Rest in Peace

Jemand,
den ich nicht kenne
stirbt.
Und es wird
getrauert
um ihn.

Auf Facebook.

Und sie schreiben
ihm
in sein
virtuelles Totenbuch.

In Facebook.

So als hätte
man
auch als
Toter
noch einen Account
auf Facebook.

Ich möchte wirklich nicht unsensibel sein, aber an so etwas wird mir der Wahnsinn so richtig klar, den wir betreiben. Wir virtuellen Menschen. Und sollte nicht alles Recht sein, wenn es die Hinterbliebenen tröstet? Ich weiß es nicht. Mir scheint es falsch zu sein.

Falsch, wenn man der Welt mitteilen muss: Sitze gerade nasepopelnd am Ku- Damm und vermisse euch ganz doll. Falsch, wenn sich kleine Mädchen durch drücken verschiedener Zeichen bestätigen lassen wollen. Falsch, wenn Menschen meinen durch Status-Einträge und endlos widerkäuendes Zerteilen von Zeitungsartikeln, politisch aktiv zu sein. Falsch, wenn man seinen „Freunden“ mitteilt, dass man sich jetzt mal schnell für ne halbe Stunde hinlegt.

Und an dem Punkt, an dem wir selbst nicht mehr wissen, ob wir leben oder doch schon tot sind, uns fragen, ob Tote vielleicht doch noch Zugang zu Facebook haben, wenn wir das Fantastische von der Realität nicht mehr zu trennen wissen, sollten wir innehalten und uns gedenken. Den Toten. Den Lebendigen. Unter uns. 

Über das Wollen und Willensfreiheit

In einer der ersten Diskussionen über unsere Un/Determiniertheit, sagte eine Philosophiestudentin höheren Semesters, dass sie die Frage nach der Willensfreiheit falsch ausgedrückt fände, denn man sei nie frei in seinem Wollen, höchstens nur in seinem Tun. Ich verstand was sie meinte. Entweder man will etwas oder nicht, so erscheint es uns meist…und doch glaube ich, dass wir unseren Willen sowohl beinflussen können, als auch teilweise anerzogen bekommen.
Es geschieht selten spürbar, aber manchmal merken wir, wie wir uns entscheiden können, ob wir uns wohlfühlen oder nicht, ob wir eine Sache mit Humor nehmen oder nicht.

Heute im Park, lag ein Zauber über dem großen Teich, der seine Umgebung spiegelte. Sogar die rote Kiste, in der der Rettungsring aufbewahrt ist, wurde gespiegelt. Und die Bewegung des Wasser hatte eine fast hypnotische Wirkung auf mich. Ich setzte mich hin und träumte nichts, dachte an nichts bestimmtes, betrachtete nur diese Oberfläche und fragte mich, die wievielte Spiegelung wir wohl wären. Mein Kopf ist so leer zu Zeit, auch wenn es mir dabei recht gut geht.

Und auf dem Weg heim, spürte ich, dass es nicht in meiner Hand liegt, meine Wünsche sofort in Erfüllung gehen zu lassen, wohl aber mir die Erlaubnis zu geben, mich wohl zu fühlen, in mir selbst.

Maria Mena – Mitt lille land

Busgeschichten und so

Ich gehe den morgendlichen Weg mit den anderen zur Uni auf leisen Sohlen, so als ob ich mich schämen würde, das herdenhaft schafhafte dieses Umstands auch noch akustisch zu untermalen. Es ist mir [trotzdem] gut gelungen, Kontakte zu schließen. All meine Ängste, was das angeht, waren rückblickend betrachtet unnötig. So ist es oft mit den Sorgen.
Meine Unitasche ist angekommen, bei Ebay ersteigert. Sie ist zu klein für Din4. Die mögliche symbolische Bedeutung, die sich mir aufdrängen möchte, schiebe ich schnell davon. Gebt mir noch ein wenig Zeit, bis mein Hirn den Aufnahmeknopf gefunden hat.
Zur Uni fahre ich mit dem Bus, meist. Das ist ganz anders, als die Bahn. Lebendiger. Unmittelbarer. Gestern bremste der Fahrer abrupt, schaltete den Bus ab und beugte sich aus dem Fenster: „Laber, laber, laber…“, rief er erbost. Alle machten große Augen und schauten raus. Zwei Autos versperrten den Weg auf der Fahrbahn, ein offensichtlicher Unfall. Die beiden Fahrerinnen standen ebenfalls auf der Fahrbahn und telefoniert wild. Der Busfahrer hatte nur angefangen: „Bei Unfällen, ohne großen Schaden, wird die Fahrbahn sofort geräumt! Das macht 35 Euro wegen Behinderung des Straßenverkehrs. Man, man, man. Laber, laber, laber…“ Die Menschen im Bus fingen sofort an zu diskutieren. Eine Frau rief laut: „Typisch Frau…aber wirklich!“ Der Busfahrer stieß auf allgemeine Bewunderung und Respekt: Na, der kann auch anders… Der ist aber sauer.“ Ich fand ihn übertrieben. Vielleicht können viele Frauen in solchen Situationen wirklich nicht pragmatisch reagieren- und müssen sie? [Nach so einem Autounfall ist es nur natürlich unter Schock zu stehen, ob nun Mann oder Frau.] Außerdem schien er mit seinem genervt-cholerischem „Laber, laber, laber..“ eigentlich seine eigene Frau zu meinen und weniger die beiden auf der Straße. Mit oder ohne Schaden waren sie beide sicher ziemlich erschrocken. Irgendwann reagierten aber auch sie und der Bus fuhr weiter.
Ein Baby fing an zu schreien. Ich schaute mich zu ihm um und lächelte ihm zu. Es schrie weiter und ich dachte: Recht hast du, schrei ruhig. Andere fingen an sich beschweren, dass muss man doch ruhig machen, das Baby. So als hätte ein Baby ein Schalter, den man nach Belieben herunterdrehen konnte. Wie sollte die Mutter das Baby beruhigen, wenn es das Busfahren war, das es hasste. Erinnerungen aus vergangenen Zeiten stiegen in mir hoch. Busfahren mit Baby war schrecklich gewesen. Wenn der Bus alle zwanzig Minuten kommt und dann schon mit einem anderen Kinderwagen besetzt ist und du mit deinem weinenden Kind noch mal zwanzig Minuten warten musst, bis du einsteigen darfst, wobei dir schon der Angstschweiß ausbricht, dein Kind könnte losbrüllen und du den gesamten Ärger der Businsassen auf dich ziehen.

Der Bus fährt die Königsbergerstraße entlang und mein Kopf möchte vervollständigen: Königsbergerklopsestraße. Denn es hört  Königsberg meist im Zusammenhang mit Klopse [so als hießen die Klopse nicht nur so, weil sie aus Königsberg stammten] und weigert sich nun, es zu trennen.
„Unter den Eichen“, höre ich deutlich: Unter den Leichen und merke, ich bin irgendwie ganz woanders, auch wenn ich es mir nicht eingestehen mag.
Eine alte Dame auf einem Stock kommt so schnell sie kann, angehumpelt und mein Herz versetzt mir einen Stich. Das sollte nicht sein. Und doch begegnen mir jeden Tag alte Menschen, die Probleme haben, im Bus nicht umzufallen. Alles, was man tun kann, ist helfen und aufzustehen. Ich weiß nicht, wie sie es tun, denn schon für mich ist Busfahren manchmal eine Herausforderung, weil er so holperig fährt oder so voll ist, dass man mit seiner Tasche kaum durchkommt. Wie würde es mir gehen, mit schlechten Augen und alten Knochen?

Und dann gibt es noch die älteren Damen, denen es blendend geht, deren einziges Problem anscheinend die Langeweile ist. Sie fahren am liebsten zu den Schulstoßzeiten Bus und am besten die Route, auf der möglichst viele Schulen liegen. Die gab es zu schon zu meiner Schulzeit-ich fahre übrigens immer an dem Beethovengymnasium vorbei und lächel in Gedanken Herrn Fink zu, dem ich noch schreiben möchte, auch wenn er sich sicher nicht mehr an mich erinnern kann. Und schon damals habe ich geglaubt, dass sie nur um diese Zeit Bus fahren, um sich über uns aufzuregen.
Aufgeregt haben sich heute aber zwei jüngere: Ein Mann und eine Frau, die schnell ins Gespräch kamen über all die bekloppten Schüler, die in den Gängen stehen, ohne Platz zu machen. Ich stand zu weit, um etwas zu sagen und zu nah, um es zu überhören. Eine andere Frau drehte sich zu ihnen um und sagte: „Aber ihnen geht es gut!? Was erzählen sie denn da für einen Mist!“ Die beiden fingen an sich zu rechtfertigen und zu relativieren. Der Mann versuchte, klug zu sein und sagte: „Das sind die Fernsehlandschaften. Die machen die blöd. RTL und so. Davon bekommt man Fäkalien im Gehirn*.“  Die Held-Frau: „Nein. Nicht nur die Fernsehlandschaften. Das Problem ist doch die gesamte Gesellschaftsstruktur.“ Und es schien, dass sie noch etwas hinzufügen wollte, aber es dann sein ließ.

* Er sagte wirklich anstatt „Scheiße im Kopf“ Fäkalien im Gehirn!!

Janis Joplin – The Rose


……………
Feuerwehr
Sirenen
lassen
Mütter
Herzen
rasen.
……………
Auf zur Rache. Ich hoffe, dass ich es nie kennen lerne werde. Das Gefühl rächen zu müssen. Ich glaube, dass Vergebung immer mein Weg sein wird. Nein-ich glaube nicht. Ich hoffe.
………….

Meine Aufgabe für diesen Tag: Lächel mindestens drei Menschen von Herzen an!

http://www.youtube.com/watch?NR=1&v=PUo05yE18yY

Wege und Worte


Für den der sieht, dem reicht ein Wort, wenn es ihm gibt, und zieht sofort
dem Namen beliebe Hülle weg. Ganz nackt betrachtet, ist nichts mehr übrig,

und  gerade dann steckt in in ihm die Welt; für den der sieht.

Bulimia Verbalis*

Versiegen soll der Wunsch zu reden
um sich
zu entledigen
Stille
leerer
Einsamkeit.

Verschwiegen, möcht ich sein.
Wenn´s nichts zu sagen gibt.
Weder zu fressen
anderer Geschichten
noch
Erleichterung
zu suchen,
meine
in die Welt zu brechen.

* Ob man das so sagen kann, weiß ich nicht. Es klang nur gut, in meinen Ohren.

[Ganz stark muss ich gerade versuchen, mich selbst nicht mit zu viel Ansprüchen Schachmatt zu setzen. Und ich spiele alle Möglichkeiten durch, schreckt mich plötzlich die intellektuelle Welt, würd doch lieber malen oder verrückt werden. Dabei gibt es so viel zu lernen und damit meine ich nicht nur das, was sich dann auf meinem Abschluss  als Note manifestiert, mehr als das! Viel mehr. Ich werde mich weiter üben, in Ansprüche realsitisch zu gestalten, an meinem Größenwahn zu feilen und meinen Selbstzweifeln die Luft herauszulassen.]

Zwei gesuchte Löffelgeschichten

Der meist gesuchte Begriff- nach Mary am Meer-, der laut Google auf meinem Blog führt, ist: Löffelgeschichte. Das ist schon ein wenig verwirrend, denn wie einige wissen, habe ich ja eine Geschichte „KLEINE LÖFFELGESCHICHTE“ genannt, aber das ist sicher nicht die, die gesucht wird. So machte ich mich selbst auf die Suche nach der wohl eigentlich gesuchten Löffelgeschichte, stellte mit Erstaunen fest, dass meine, die erste ist, die erscheint.*
Etwas weiter unten fand ich dann aber die, die gemeint sein muss, wenn Leute nach der Löffelgeschichte suchen. Sie stammt von Bernhard Matheis und ist eine erheiternde, moralische Kurzgeschichte, nach der, der einzige Unterschied zwischen Himmel und Hölle darin bestehe, dass die in der Hölle zu blöd sind, sich gegenseitig mit den viel zu langen Löffeln zu füttern und so zum Hungern verdammt, traurig vor dem Kessel sitzen.
Auch meine Löffelgeschichte beschäftigt sich mit zwischenmenschlichem. ….

Falls sich die Tage mein Bedürfnis nach Schweigen nicht auflöst, kann es sein, dass ich noch ein paar Rückblicke werfe, dabei hoffend euch nicht zu langweilen.

Nur eines noch: Haben wir nicht einen wunderschönen Herbst? Das muss doch mal gesagt werden.
Den ganzen Sommer wurde gemeckert und jetzt? Kaum einer der die Herbstsonne zu würdigen weiß. [Bin ich nun doch schon am moralisieren?]

*Übrigens stellte ich nebenbei ebenfalls fest, dass die Suchfunktion in meinem eigenen Blog nichts taugt. 

Retroperspektive: "Jemand" vor zwei Jahren

Hab ich mich verändert in den zwei Jahren? Ich glaube schon. Auch wenn folgendes Gedicht sicher nur eine Momentaufnahme war, steht sie doch symbolisch für meine Gefühl 2009. Ich fühle mich längst nicht mehr so einsam. Bin mir selbst sehr viel näher gekommen. Doch- ich habe viel gelernt. 
Aufs Zwischenmenschliche übertragen, lässt sich sagen, dass wir einander zuhören sollten, dass es meist gar nicht im Lösungen geht, um gute Ratschläge, sondern der Wunsch dahinter steckt, verstanden zu werden. Mir fällt das oft auch bei anderen schwer. Aber immer wenn ich aufhören konnte, mich für die Lösung verantwortlich zu fühlen und ein ernst gemeintes und intensives Verständnis zeigte, bekam ich die Rückmeldung, dass es genau das richtige war, das, was der andere gebraucht hatte: jemand der versteht. 


Kalt, der Wind da draußen,

wie soll ich bloß- den Winter überstehen?

„Hast ein Dach über´m Kopf!“ sagt jemand und dieser jemand bin ich selbst.

Rote Wangen, U-Bahn sitzend,

wie kann ich mich- den Blicken nur entziehen?

„Entzieh dich nicht!“, meint jemand und dieser jemand bin ich selbst.

Einsam unter Menschen,

wo anders- könnt ich wohl hingehen?

„Einsam bist du nur in dir!“, spricht jemand und dieser jemand bin ich selbst.

Ich seh´ verliebte Paare, will nicht mehr- alleine weitergehen!

Und sag jetzt nicht: Ich müsst es mir nur wünschen oder eingestehen!

Sag jetzt nicht: Es sei mein Stolz, meine Angst, mal offen hinzusehen!

Höre einfach einmal zu und sag: „Ich kann dich wirklich- wirklich gut verstehen!

Dass ich dich liebe!

Komm mein Liebling,
komm,
in meine Arme.

Was du suchst,
findest du bei mir.

Du meinst,
ich hab nichts mehr zu geben.
Du irrst,
auch wenn es stimmt
im Angesicht
des wahnsinnig
Alltäglichen. 

Schimpfe mich ruhig,
sei mir böse,
ich werde da sein
für dich,
dich trösten:
Weil ich nicht die sein kann, die du brauchst.
Weil ich dich nicht höre, wenn du schreist.
Weil mein Dach Löcher hat und auch der Boden fast zusammenfällt.

Und doch:
Ich schwöre! Wie ich dich liebe!
Lass es mich zeigen!
Zeige dich!
Hör auf, dich zu verstecken,
hinter grober Wut
und Gemeinheit.
Sag, was dich quält!
Egal, was es ist,
ich werde bei dir sein.
Nie werde ich dich verlassen.
Selbst, wenn ich es will.

Und ich sag es dir tausend Mal:
Dass ich dich liebe!
Und ich streichel es
in deine Haut.

Damit du verstehst:
Dass ich dich liebe. Egal, was passiert.
Mit all deinen Fehlern und
mit all den meinen.
Trotzdem.
Deswegen.
Pssscht.

Alles wird gut!
Glaubst du mir?
Alles wird gut!
Komm, Komm.
Ist ja gut.
Ist  ja schon gut.
Mein Liebling!

Herbstliches

Liegt der Herbst
Mit schwerer Zunge
In meinem Mund.
Spiele mit
Alt
Weiber
Sommer
Fäden*
Wie andere mit
ihren
Drachen
Lass sie steigen
Hab die Hosen voll
davon.
………………………………………

Was er uns lehren will
der Herbst
ist schon sehr alt
und
handelt
von
Vergänglichkeit.

Nun kommt´s drauf an
es selbst zu spüren
es ihm
einfach
nachzufühlen.

Er stirbt für uns
und färbt sich bunt
auf dass es uns
einst
leichter
fällt,
wenn unser
eigenes Blatt
ab
fällt.

[Und im Winter
sterben wir
mit ihm,
proben
den Tod,
um im
Frühling
auf
ein neues
zu
erstehen.
Im Sommer
aber
lernen wir,
den Höhepunkt
erleben.

Zusammen betrachtet
ist ein Jahr
ein Leben.
Ein ganzes
Leben!
Und so
lebte ich
33
Leben
schon.]

Wie ihr seht, lebe ich gerade im erleben des Erlebten, vertiefe mich im Erkannten und erkenne, dass es nicht darauf ankommt, Unbekanntes zu entdecken, dass es nicht einmal möglich wär, sonst hieße es ja anders, dass es darauf ankommt mit dem schon Bekannten Bekanntschaft zu schließen, sich in ihm zu vertiefen, es besser kennen zu lernen, den eigenen Spuren mehr Substanz zu geben, auf dass irgendwann einmal [vielleicht] das Unbekannte zum Bekannten wird. Egal, ich finde gerade nicht die richtigen Worte und bin schon auf dem Sprung.

* Da hab ich durch meine eigene Spinnerei tatsächlich doch etwas neues gelernt [auch wenn ich mit dem Unbekannten, nicht solcherlei Wissen meinte, finde ich es interessant]:
„Der Name leitet sich von Spinnfäden her, mit denen junge Baldachinspinnen im Herbst durch die Luft segeln. Mit „weiben“ wurde im Althochdeutschen das Knüpfen der Spinnweben bezeichnet. In norddeutschen Dialekten nennt man die Altweibersommerfäden Metten, Mettken oder Mettjen (als Verkleinerungsform von Made, das heißt, man hielt sie für Raupengespinst). Wegen der lautlichen Ähnlichkeit wurde dieser Begriff wohl volksetymologisch zu Mädchen umgedeutet.Das Landgericht Darmstadt hat im Jahr 1989 festgestellt, dass die Verwendung des Ausdrucks Altweibersommer durch die Medien keinen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von älteren Damen darstellt.“ ….http://de.wikipedia.org/wiki/Altweibersommer

Allgemeine und vergleichende Begeisterung

Heute war der Einführungstag für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften [AVL] und es war wirklich wunderbar. Nach den drei Tagen Philosophie-Einführung, in denen ich mit meinen Kommilitonen trotz Bemühungen meinerseits noch nicht wirklich warm wurde, lief heute alles anders, zum Glück!
Ich betrat den Raum, der schon gefüllt war und setze mich neben ein Mädchen und sagte: Hallo, ich bin Miriam. Und sie lächelte und nannte ihren Namen. Wir unterhielten uns nett, es gesellten sich immer mehr an unseren Tisch. Es war genauso, wie ich es mir gewünscht hatte. Da sah ich nach hinten über meine Schulter, ein anderes Mädchen allein stehen. Sie erwiderte meinen Blick, wenn auch schüchtern. Ich verließ meinen Tisch, ging zu ihr herüber, grinste und stellte mich vor. Sie war froh und ich kann gar nicht genau erklären, wir hatten sofort eine Verbindung. Wir kommunizierten in einem ausgewogenen Verhältnis. Und es stellte sich schnell ein Gefühl der Vertrautheit ein. Sie war so offen und geradeaus, wie ich es selten bei anderen antreffe.
Vielleicht erscheint es einigen trivial, aber für mich war dieser Tag sehr wichtig. Und es hört sich an, als würde ich generell schwer mit Menschen in Kontakt kommen, was ja eigentlich nicht stimmt. Auch über diese Ambivalenz redeten wir [ihr ging es genauso]. Danach verbrachten wir noch eine ganze Weile zusammen und erzählten von unseren Lebenserfahrungen und Lieblingsbüchern. Und das beste ist: Sie studiert auch Philosophie, eben nur genau andersherum, als  Nebenfach.

Nun weiß ich, dass es nicht nur ich war, die keinen Zugang zu den „Philo-Leuten“ fand, sondern die Atmosphäre dort wirklich eine andere war. Zugegeben war ich am vierten Tag Uni auch lockerer, aber das war es nicht allein. Wäre AVL zuerst dran gewesen, dann hätte ich mich gleich wohler gefühlt, da bin ich sicher. Vielleicht sind literaturwissenschaftlich interessierte Menschen offener als die philosophischen? Ich weiß es nicht genau. Es hatte bestimmt auch etwas mit den Räumlichkeiten zu tun.

Die beginnenden Philosophie-Vorlesungen kann ich aber nun [noch] gelassener entgegengehen. Und ich freue mich darauf, interessante Menschen kennen zulernen und natürlich: auf die Vorlesungen!! 

Alles wahr. Wie es scheint.

Es gibt einen Mann in Schottland. Der hat ein großes Haus und Geld. Den ganzen Tag sitzt er dort, in Schottland, in seinem großen Haus und wartet, dass er es mit jemandem teilen kann. Aber es kommt niemand zu ihm, nach Schottland.
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Vier Mädchen im Bus. Und eines daneben. Die vier schauen rüber, zu dem daneben und tuscheln. Hinter ihren süßen Gesichtern, sieht man die Hexen. Das Mädchen sitzt ein paar Reihen daneben. Ihr Haare sind zur Rasterzöpfen geflochten, sie hat schokobraune Haut, wunderschön schwarz funkelnde Augen und elfenbeinweiße Zähne. Sie sieht aus wie eine Enkeltochter von Bill Cosby. Sie schaut die vier Mädchen an und sieht dabei sehr tapfer aus. Einmal geht sie zu ihnen und eine haut ihr sanft mit einem Taschenregenschirm auf den Kopf und sie hält ihn hin.
Das scheint normal zu sein zwischen ihnen und bedeutet etwas, das sich dem entzieht, der diese Mädchen nur aus diesem Bus kennt. Beim Aussteigen sagt eine der viere: „Sie sagt, wie hätten über sie geredet. Dabei stimmt das gar nicht!“ Da dreht sich das kleine Mädchen um und sagt sehr laut: „Doch- ich habe euch gehört, wie du gesagt hast, ich sollte mir die Zähne besser putzen und würde stinken. Ich habs genau gehört!“ Da grinst die andere und sagt nichts. Ihr Grinsen sieht aus, als würde sie gerade ihre gesagten Wort genüsslich rekapitulieren. Vielleicht aber versteckt sie auch nur ihre Scham hinter dem Grinsen. Der, der sie nicht kennt, kann es nicht wissen. Aber er fährt sehr traurig weiter. Man muss gar nicht weit fahren, um die gemeinen Ungerechtigkeit der Welt kennen zulernen. Und er fragt sich, ob es nur für ihn so aussah, als wäre das alles geschehen, weil das Mädchen schokobraune Haut hatte oder ob er derjenige mit den Vorurteilen war. Er kann es nicht wissen. Und er fährt weiter und starrt in die Pfützen, die mit einem mal so viel Sinn ergeben.
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Sie starb an dem Tag, an dem das Leben am meisten Sinn ergab. So hatte sie es sich immer gewünscht. Sie hatte oft über die Wichtigkeit des Wie-Sterbens gesprochen. Die Menschen hatten sie nicht verstanden und sich Sorgen um sie gemacht. Sorgen, sie könnte sich das Leben nehmen [was für eine Formulierung: niemand sagte gerne: sterben].

Ihr letzter Tag war glücklich gewesen, denn sie hatte jemanden kennengelernt. Er war der erste, der ihr Schmetterlinge im Bauch machte, wenn er sie ansah. Mit diesem gefährlichen Blick. Wie er sie anfasste!-so hatte noch niemand sie angefasst, so fordernd und ganz und gar vereinnahmend. Da war kein Platz mehr für etwas anderes als seine Hände.
Sie küssten sich wild im Fahrstuhl auf dem Weg in den 13. Stock. Er drückte sie gegen die Wand und sie fragte sich, ob es so etwas wie Klautrophilie gibt. Wenn nicht, dann hätte sie es gerade erfunden. Sie kamen oben an und sie schloss eilig ihre Tür auf. Es war wie in diesen Filmen, die sie immer für reine Fiktion gehalten hatte, als sie sich die Kleider von den Leiber rissen. Sie umarmte ihn und klammerte sich mit den Beinen an ihn fest und er trug sie zum Bett. Beide waren schon verschwitzt bevor sie ankamen. Dort liebte er sie, so wie sie es sich schon immer gewünscht hatte. Ihre beiden Seelen wurden zu einer. Und es schien selbstverständlich, dass sich die ihre in der seinen aufslöste.
Als sie fertig waren, schrieb sie in großen Buchstaben in ihr offen liegendes Tagebuch: 
Dass ich sterben könnte! 
Den ersten Teil, das „Ich bin so glücklich,“ ließ sie weg, da sie abergläubisch war, was das Aufschreiben von Glück anging. Sie hatte oft genug erfahren, dass immer etwas schlechtes passierte, wenn sie von glücklichen Momenten schrieb. Da sie aber irgendetwas schreiben musste, um diesen Augenblick zu manifestieren, schrieb sie nur: Dass ich sterben könnte!- und ging zum rauchen auf dem Balkon. Sie stand da-wie immer- ein wenig übers Geländer gebeugt, um nach unten zu schauen. Und das letzte, was sie mitbekam, war, dass er hinter sie trat. Sie hielt es im ersten Augenblick für eine Umarmung und dann fiel sie schon 13 Stockwerke nach unten. Einen Moment erschrak sie, dann aber genoss sie ihren Flug in den Tod und dachte: Das ist Ok. Ich bin glücklich gestorben. 

[AlpTraum im] ZwischenRaum

Sie wachte aus ihrem eigenen Traum auf, etwas roch störend feucht getrocknet. Sie befand sich in einem Raum, den sie noch nie zuvor betreten hatte.
Es war dunkel.
Nur das Licht eines Pc-Monitors erhellte die schwarze Dunkelheit, der etwas verpixelt nebliges anhaftete.
Sie war nicht allein. Ein Mann mit Maske schaute sie an. Er freute sich nicht, sie zu sehen. Und er war genauso überrascht wie sie selbst, auch wenn er sich schneller wieder fing.
So sollte es nicht sein.                                                                                                  Aber so war es.

Ein Schaudern lief ihr über den Rücken. Als sie ihn plötzlich erkannte, an seinen Händen [weil sie ihn eben nur an den Händen erkennen konnte], die auf der Tastatur lagen. Sie erkannte ihn und er erkannte, dass sie ihn erkannte.
Schweigend schauten sie sich an und schwiegen laut weiter. Weil sie hofften, ihr Dilemma so lösen zu können. Weil niemand das Schweigen zuerst brechen wollte. Weil die Wortlosigkeit am besten ausdrückte, was sie nicht sagen wollten. Weil es in dem Zwischenraum, in dem sie sich befanden als schicklich empfunden wurde. Weil sie nicht weiter wussten. Aus vielen Gründen schwiegen sie zusammen.

Bis er sagte:                                                                                                                        ich lese dich.

Und nach einer Weile:                                                                                                   jetzt weißt du es!

Sie wusste nicht, ob sie überrascht war. Sollte sie jetzt sagen: ich wusste es. irgendwie.
Nein- das wollte sie nicht sagen. Denn hatte sie es gewusst? Hatte sie es wissen können? Wie sollte sie es gewusst haben können? So schwieg sie weiter und schaute der Maske nicht in die Augen. Sie wusste, dass es ungerecht war, dass er sie las. Und sie nur dieses hier zu sehen bekam. Und das auch nur versehentlich.
Aber sie hatte es gewählt, wenn auch nicht gewollt. Denn niemand tut, was er will. Höchstens nur, was er meint zu wollen. So betrachtet, hatte sie es nicht einmal gewählt. Etwas hatte für sie gewählt.
Hatte sie zu der gemacht, die gelesen wurde. Und ihn zu dem, der sie las.

Er riskierte einen neuen Satz. Vielleicht würde durch ihn jemand alarmiert werden, der das ganze wieder in Ordnung brachte. Trotz Maske fühlte er sich nackt.
Man hätte ihn schützen müssen! Man hatte ihm vollkommene Anonymität zugesichert! Das hatte er nun davon, wenn er sich einmal sicher glaubte. Niemand war irgendwo sicher. Oder Nirgendwo irgendwer:

ich kenne dich besser als du dich zu kennen glaubst. das ist der  grund, warum du gelesen wirst und ich dich lese. manchmal lache ich mit dir. manchmal lache ich dich aus. am anfang war alles nur ein spiel. ich wusste, was ich tat. ich kannte die gefahr. und du hattest recht mit der ohnmacht unserer rationalität. ich bin der lebende beweis dafür. ich wusste es.
und dennoch lebe ich jetzt, um dich zu lesen. auch ich habe mir das nicht so ausgesucht. es wurde für mich ausgesucht. dass ich der leser bin. und das hier- hätte nicht passieren dürfen.

Sie schaute ihn an und konnte ihn sehen. Sie hätte gerne etwas gesagt. So viele Worte hatte sie nicht erwartet, großzügige Geschenke, für die sie glaubte, danken zu wollen. Nur warum? Hatte sie ihm nicht für eines abertausende geschenkt, ohne je Dank zu erwarten? Und so schwieg sie weiter. Während er sprach:

manchmal habe ich mir schon gewünscht, mit dir zu sprechen. aber das geht vorbei. solange du mich lesen lässt. ich möchte nur sehen, was du denkst, was du fühlst. manchmal haben wir ganz ähnliche phasen und manchmal möchte ich dich gerne rütteln. vieles ist schwachsinn, was du schreibst. einmal wollt ich dich sogar umarmen. aber das geht vorbei. es geht immer vorbei. viel sicherer ist es, dich nur zu lesen.

Der verpixelte dunkle Nebel hatte sich auch über ihre Gefühle gelegt. Sonst hätte sie sicher mit Nachdruck widersprochen, auf die Ungerechtigkeit hingewiesen: und was habe ich davon? Doch sie weinte nur leise und hoffte, dass das Licht des Monitors nicht bis zu ihren Tränen reichte.  

Über selbst-erfüllende Prophezeiungen.

Entschuldigt bitte meine Halbgedichte. Es ist eine Phase, in der ich nicht so poetisch [oder anderweitig kreativ] bin, wie ich es gerne wäre und dennoch brauche ich das Dichte zur Veranschaulichung. 

Keine Kassandra
möchte ich sein.

Zu
wissen
ohne
Macht
ist Fluch
kein Segen.

………………………………

Genug
mal wieder
genug,
geliebt,
geduldete
Seele.
Wenn du dich zu oft wiederholst, wird es morgen ewiges gestern geben. Wirst du die sein, die heraufbeschwört, was sie versucht zu vermeiden.
Leg dich ruhig schlafen.
Träume von helleren Tagen.
Trau dich kitschig zu sein.
Erlaube dir deine Visionen und ziehe sie in dein Leben hinein. Auf dass morgen zu heute werde und gestern ein Schatten an der Wand. Auf dass du einst sagen kannst: Ja-Ich hatte gute Zeiten.
Trübes wird es immer geben: gestern, morgen, heute. Braue es nicht noch dichter zusammen. Sonst braut es sich
über dir….doch genug davon!

Lebe dieses eine Leben. Bewusst. Mutig. Gerecht.
Mehr erwartet niemand von dir.
Liebe in diesem Leben. Mit Lust.[Auf]Richtig. Und echt.
Mehr erwarte ich nicht von dir.

Weil ich es wert bin

Du hast nicht verstanden
und das: leider nicht,
dass es eine
Auszeichnung ist,
wenn ich dir sage,
dass ich dich
mag.
Du hast es [wohl]  als Schwäche
verstanden
und schätzt es nicht-
weißt es
leider nicht
zu schätzen.

Das nächste Mal,
werde ich es
wieder sagen
jemand anderem
[du warst nicht wichtig genug
um mich zu lehren, dass man sowas nicht sagt.]
Ich sage es, wenn ich es fühle.
Ich zeige es, wenn mir danach ist.
So bin ich und wer das nicht verträgt
für den bin ich 
-leider für ihn-
nichts.

Ich hatte so meine Probleme, das „Gedicht“  stehen zu lassen. Weil es geradezu schreit: Ich bin es wert. Weil ich es wert bin. Und dazu noch, frech behauptet der andere wäre der zu Bemitleidende.
Und das kann ich nicht sehr gut. Das macht es um so wichtiger. Der Grund, warum ich nicht gut darin bin ist, dass ich erkennen muss, dass die eigene Aufwertung ein menschlicher Schutzmechanismus ist und im seltensten Fall der Wahrheit entspricht.

Ein abgewiesener Verehrer schrieb mir, dass ich eigentlich die bin, die etwas verpasst hat, dass er mir etwas zu geben gehabt hätte und ich lachte und dachte: Wenn du das unbedingt glauben musst, dann bitte schön!
Wie sollte ich danach dann dasselbe tun können? Das was viele bei mir mit mangelndem Selbstbewusstsein verwechseln, halte ich selbst für „ein mehr an Bewusstsein“, ein über sich selbst hinausschauen.

Und dennoch…Jeder Vogelperspektive zum Trotz, bleibe ich ein Mensch. Ein stinknormaler Mensch. Und als dieser ist es mir erlaubt, muss ich eventuell sogar fühlen, dass der andere etwas schönes verpasst hat, in dem er sich nicht im gleichen Maße für mich interessierte. Das Wissen, dass es eigentlich eben nichts persönliches ist, sondern dass Leben eben „einfach“ so ist, ist ja deswegen nicht vergessen. Es sind lediglich verschiedene Ebenen.
Wenn ich also meinem „Emotionalen Ich“ erklären will, dass der Gedanke des „leider, für den anderen“ absoluter Blödsinn ist, dann wird es sich unverstanden fühlen und sein abgewiesenes Bedürfnis wird tatsächlich mit mangelndem Selbstbewusstsein antworten. Es lernt, dass meine dominant-rationale Persönlichkeit, seine Wahrnehmung nicht schätzt und das subjektive Empfinden zugunsten einer objektiven Tatsache ins bodenlose relativiert. Aber genau hier liegt das/mein Problem. Wir bleiben immer Subjekt. Und als solches müssen wir uns auch begegnen.

Deshalb lasse ich es stehen. Mich selbst belächelnd und doch glaubend, dass ich es wert gewesen wär, von dem anderen entdeckt zu werden, dass ich das Interesse verdient habe. Wenn selbst ich das nicht glauben kann, wird es niemand glauben.

Vermischtes

Wenn ich dich das nächste mal
treff,
bist du mir egal.
Ob mich das freut?
Nein, nicht wirklich.
Es beruhigt mich,
und betrübt mich
gleichermaßen.
Es hätte nicht so sein .
Es hätte ganz anders sein- müssen.

Wenn du mich das nächste mal
triffst,
willst du mich. [Weil ich nicht will]
Ob mich das freut?
Ja, so glaub ich.
Es befriedigt mich,
und befreit mich
deiner Maßen.

[Dieses verdammte Spiel]
Es hätte einmal durchbrochen werden
Es hätte einmal anders sein- sollen.
…………………………………………………..

Ich seh doch
in deinen Augen,
dass du mich
willst.
Bekenne es-
in Worten.
Zeige es!
Augenblicke und
andere Andeutungen
haben keinen Kredit
mehr bei mir.

Bist du bereit
mir gegenüber zu stehen,
dann zeige dich.
Bist du zu feig,
dann lasse mich-
von Anfang an
ZuFrieden.
………………………………………………………….