Spieglungen
von Miriamsamara
Die Spiegel* sind nicht zuverlässig. Jeder erzählt etwas anderes, je nach Verfassung und Tageszeit. Niemand hat so viele Gesichter*, wie man selbst, für die anderen sieht man dennoch recht konstant aus. Jedenfalls müssten schlimme Dinge geschehen, bis die anderen einen nicht mehr wiedererkennen, ihnen der Anknüpfungspunkte an abgespeicherte Bilder fehlen.
Ich fühle mich, als sei ich alt geworden und jemand will mir sagen, dass ich es bin und dass ich mich dagegen wehren würde, was ich nicht verstehe, denn ich mache mir selten Sorgen ums Alter, es ist einfach etwas, das an mir vorbeigeht, das mich nicht sonderlich berührt. Dieser jemand macht mich ein Jahr älter und ich glaube es ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne nachzurechnen, glaube es und er nimmt meinen Glauben, ich sei ein Jahr jünger als Beleg für die Richtigkeit seiner Behauptung. Ich zucke mit den Schultern und erst später als ich es einer Freundin erzähle, sagt sie mir: Aber das ist doch Unsinn. Du bist so alt, wie du glaubtest. Er hat sich geirrt. Kann der Doofmann nicht zählen?
Ich zucke mit den Schultern und sage: Ich anscheinend auch nicht. Am Ende ist das für mich der Beleg, dass das Alter etwas ist, was mich unberührt lässt. Nur ein wenig Sorge hatte ich, man könnte mich für eine Lügnerin halten, wenn ich seine Behauptung stimmen sollte, würde es so aussehen, als hätte ich mich ein Jahr jünger gemacht.
Ich schaue in den Spiegel und mein Gesicht hat sich verändert, zwar immer noch [fast[ faltenlos, aber dennoch nicht nach meinen Wünschen. Meine Augen sind müde und klein und das Gesicht grob, sagt der Spiegel. Mit einem Schrecken wird mir klar, dass das ich sein soll, das da gegenüber, ein fremdes Ich, das mich da anschaut.
* gilt analog für Fotoapparate [auch für digitale].
Wolltest du lügen, du hättest ja wohl mehr um 1 Jahr gelogen!
Ich weiß gar nicht, wie ich zum Altern stehe. Ich glaube, es macht mir etwas aus, zu altern, auch wenn ich bis jetzt noch keine Falten habe und durch mein Kindchenschema noch sehr jung wirke. Trotzdem, ich beobachte meine Haut argwöhnung, und an manchen Tagen sehe ich das, was du im Spiegel siehst. Aber ich glaube, das bilden wir uns auch ein wenig ein. Aber selbst wenn, so sage ich mir: Mein Gott, wir haben soviel mehr geschafft, als dass wir unseren Selbstwert auf die Attraktivität und Jugend aufbauen müssten. Wir haben andere Qualitäten. Und bis das „Alter“ uns „unattraktiv“ im Sinne von „sexuell uninteressant“ macht, dauert es doch mindestens noch – öööhm – 20 Jahre. Haha.
Wer war denn bitte diese Person?
Stimmt wohl auch wieder.
Und das andere, es macht [mir] vielleicht doch [auch] etwas aus, und der Grund, warum ich so locker bin ist nur, weil ich tendenziell immer für 10 Jahre jünger gehalten werde.
Und vielleicht bildet man sich das wirklich ein..aber das ist schon unheimlich. [Unheimlich auch, weil etwas zyklushaftes hat, ich das Gefühl kenne und auch weiß, dass es wieder vergeht, aber es dennoch erschreckt.]
Derjenige war jemand, der mich überzeugen wollte, dass es Zeit ist zu ihm zurückzukehren und meine „Midlifecrisis“ endlich zu überwinden. Hach ja..
Midlife-was?
Oh Mann.
:). ich kenne das schon, aber nicht auf die „wir sind alt geworden tour“ und dem vorwurf, ich versuche auf teufel komm raus meine jugend nachzuholen, festzuhalten.
aber egal wie die argumentation verläuft, die zeigt jedesmal, dass der andere nichts von mir weiß und das ist vielleicht das eigentlich traurige daran [mit welcher idee von mir, will er denn eigentlich zusammen sein?]
Manchmal fürchte ich, zu gelassen mit diesem Älterwerden umzugehen. Als ich fünfundzwanzig oder dreißig war, hatte ich den Eindruck, dass es mir mit jedem Jahr, das ich älter wurde, besser ging. Ich freute ich mich darauf, vierzig zu werden, und es hat sich so ergeben, dass ich mich damals tatsächlich viel besser fühlte als viele Jahre zuvor. Vielleicht geht es mir auch noch so, wenn ich in zwei Jahren fünfzig werde.
Das einzige, das ich fürchte, ist die Möglichkeit, irgendwann feststellen zu müssen, dass ich einfach immer nur im Jetzt gelebt habe, ohne mich über mein Alter und die entsprechenden „Entwicklungsaufgaben“ definiert zu haben: spät studiert, keine Kinder, kein Haus, kein Boot. Und ich dann, wenn andere zurückblicken können, auf das, was sie „um sich haben“, nur feststellen kann, immer bloß gelebt zu haben.
Das könnte bedrückend sein. Vielleicht.
Danke für Deine Anregung zum Nachdenken durch Deinen schönen Text!
mb
liebe mb, danke für deine schönen eigenen gedanken zu dem thema.
ich glaube nicht (auch wenn ich den gedanken, zumindest was das berufliche/karriere angeht gut kenne). diese dinge sind von konstruiert-gemachtem wert, armselige versuche sich zu definieren (wie du ja so schön an dem plakativen „mein haus, mein kind, mein boot“ dargestellt hast). wir haben uns mehr oder weniger bewusst dazu entschlossen oder eben einfach festgestellt, dass wir uns nicht darüber definieren…warum also sollten wir „im alter“ damit anfangen?
Also, ich finde diesen Text schön. 🙂 Weil: mutig. Irgendwie. Und erfrischend – trotz des „Schreckens“ am Ende.
ja, es ist ja immer nur ein temporäres gefühl der entfremdung, zum glück. ich glaube, man braucht auch diese distanz zu sich, um nicht zu sehr in sich zu versinken.