Was nicht zusammen geht. Versuch einer Skizze

von Miriamsamara

So viel geht nicht zusammen.

Fragen wie „Wie viele Tote braucht es, damit man „Genozid“ sagen kann, ohne das Wort inflationär zu benutzen“ und „Was koche ich heute zum Mittag“ stehen zu dicht bei einander.

Ich klicke wider besseren Wissens auf ein Video aus Gaza, eine verstaubte, traumatisierte Familie, genauer gesagt,  das, was von ihr übrig geblieben ist, sitzt benommen auf dem Bürgersteig. „Meine Schwestern!“, ruft der kleine Junge: „Asmaa! Hannan!“, immer wieder.

Kein Tropfen Blut ist nötig, keine Gedärme oder heraustretenden Hirne, um die Erkenntnis auszulösen: Das hätte dein Sohn sein können, der seine toten Schwestern ruft.

Ein kleiner Junge würde vollkommen reichen, um alle Massaker dieser Welt zu stoppen.

Die (menschliche) Realität hat jedoch einen Sprung. Sie funktioniert nicht mehr. Schon so lange nicht mehr (schon immer?) und es scheint, dass der Riss immer noch tiefer und tiefer reißt.

In Pakistan werden die Ahmadiyas niedergemetzelt, in Irak Schiiten, Kurden und Christen, in Bahrain, Saudi Arabien, Indonesien, Malaysia ist man besser auch kein Schiit, in Iran die Bahaí und andere, niemand schaut nach Afrika, in Syrien tobt ein Krieg, den niemand gewinnen kann und in Gaza ein Massaker, das von der westlichen Welt nicht nur durch Waffen und finanzielle Hilfe subventioniert und legitimiert wird.

Es hängt alles zusammen, lose oder verstrickt. Achja, da war dieses Video: Dumas über den geplanten Krieg im Osten und diverse Ex-Generäle/Agenten, die ganz ähnliches sagen. Komisch, wie viele  im Nachhinein reden, als hätten sie damit nichts zu tun gehabt, aber wenigstens reden sie, auch dazu gehört Mut.

Aber es hört sie eh niemand, so als wäre das Verfallsdatum der Glaubwürdigkeit von Ex-Funktionären abgelaufen.

Ich melde mich- mal wieder- auf einer Dating Seite an, in der Baerchen und Pubärchen, Prinz_oPferd, Nobody87,  Bekanntschaften suchen. Man kann sich auch in der virtuellen Welt sehr einsam fühlen.

Liebe Miriam, nun musst du dich entscheiden…

Wenn die Kinder schon groß wären, würde ich aufs Land ziehen. Da gibt es wenigstens die Einsamkeit der Stadt nicht.

Jetzt ernähre ich mich schon 5 Monate vegan und lowfat. Es fühlt sich unbedeutend an.

Meine Tochter kommt in die Küche und grummelt, es gäbe nichts zu essen. Ich zeige müde auf das Brot, die Butter, Marmelade, sage „Wir haben noch Käse im Kühlschrank und ich hab Pastete gekauft“. Sie grummelt weiter vor sich hin und ich unterdrücke ein: „In anderen Ländern verhungern die Kinder wirklich!“, da ich es doch ganz genauso mache, es bei anderen nur mehr auffällt, die eigenen Unzufriedenheit anstatt den Fokus darauf zu setzen, was man alles hat, zumindest ist es ein durch das schlechte Gewissen getrübter Genuss….

Die Worte verhaken sich wie eine alte Schreibmaschine in meinem Kopf. Verkantet und schief, das alles. Aus meiner Demeter-Früchtetraummüslipackung fliegen mit einem Mal zig Motten. Warum erscheinen mir Motten eklig und Schmetterlinge schön? Nur weil sie bunt sind (oder weil sie nicht aus meiner Müslipackung fliegen)?

Hamas oder Israel? (Als wäre das die Wahl.)

Und was koche ich nun zum Mittag?